Israels progressive Kräfte verurteilen Verlegung der US-Botschaft nach Jerusalem
Zeitnahe Zusammenfassung der Reaktionen auf Trumps Entscheidung
Für die linke Meretz verurteilte Knesset-Mitglied Mossi Raz die Entscheidung: Erst wenn ein Friedensvertrag mit den Palästinenser*innen geschlossen wird, solle die US-amerikanische Botschaft nach West-Jerusalem ziehen und gleichzeitig in Ost-Jerusalem die US-Botschaft in Palästina eröffnet werden. Die Basis dafür wäre die arabische Friedensinitiative von 2002, die die Normalisierung der Beziehungen zwischen Israel und den arabischen Staaten sowie die Anerkennung Israels durch diese vorsieht. Im Gegenzug soll Israel alle 1967 besetzten Gebiete räumen, einen unabhängigen palästinensischen Staat mit Ost-Jerusalem als Hauptstadt anerkennen und einer gerechten Lösung der Flüchtlingsfrage in Übereinstimmung mit der Resolution 194 der UN-Generalversammlung zustimmen. Das solle die Trump-Administration angehen, statt den Konflikt anzuheizen und das Leben vieler Israelis und Palästinenser*innen aufs Spiel zu setzen.
Die Reaktion der 13 Abgeordneten der drittgrößten Knesset-Fraktion, der Gemeinsamen Liste, zu der auch die sozialistische Chadasch gehört, fällt noch deutlicher aus: Damit schürt Trump mutwillig Hass zwischen den Völkern. Es gebe zwar keinen Zweifel daran, dass West-Jerusalem die Hauptstadt Israels ist, doch was Trump vorhat, sei die Legitimierung der Entrechtung von fast 300.000 Jerusalemer*innen, nämlich der palästinensischen Bevölkerung der Stadt. Zu dieser Politik der israelischen Regierung gehörten die Isolierung der arabischen Stadtteile Jerusalems, die Marginalisierung und Benachteiligung der arabischen Bevölkerung Ost-Jerusalems sowie die andauernden Versuche, möglichst viele palästinensische Jerusalemer*innen mit administrativen Hebeln aus der Stadt zu vertreiben.
Auch altgediente israelische Diplomat*innen erheben ihre Stimme: In einem offenen Brief an die US-Administration warnen 25 Personen des öffentlichen Lebens, darunter der ehemalige Generaldirektor des israelischen Auswärtigen Amts, Alon Liel sowie der ehemalige israelische Botschafter in Südafrika, Ilan Baruch, dass eine Verlegung katastrophale Folgen haben könnte: «Wir sind zutiefst besorgt über die jüngsten Berichte, dass Präsident Trump ernsthaft über die Ankündigung seiner Entscheidung nachdenkt, Jerusalem einseitig als Hauptstadt Israels anzuerkennen.»
Auch aus der Zivilgesellschaft regt sich Widerstand. Die populäre linke Graswurzelinitiative Standing Together schreibt: «Die Entscheidung Trumps hat nur eine Bedeutung: Er engagiert sich für den andauernden Versuch der israelischen Rechten, jede Möglichkeit des Friedens zu verhindern und die militärische Herrschaft über ein anderes Volk zu verewigen. Es interessiert weder ihn noch die israelischen Rechten, dass wir alle notwendigerweise einen hohen Preis hierfür werden zahlen müssen.»
Tsafrir Cohen leitet das Israel-Büro der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Tel Aviv
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Autor:in
Tsafrir Cohen leitete das Israel-Büro der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Tel Aviv zwischen 2015-2020.