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Solidaritätsaktionen für hungerstreikende palästinensische Häftlinge

Mehr als 1.500 palästinensische Gefängnisinsassen traten Mitte April in Israel in einen unbefristeten Hungerstreik. In einer Reihe von Städten in Israel mit mehrheitlich arabischer oder gemischt zusammengesetzter Bevölkerung fanden in den vergangenen Wochen öffentliche Mahnwachen statt, um auf das Schicksal der Häftlinge aufmerksam zu machen.

Mehr als 1.500 palästinensische Gefängnisinsassen traten Mitte April in Israel in einen unbefristeten Hungerstreik. Während die meisten hebräisch-sprachigen Zeitungen in Israel diesen Protest ignorieren und das Gros der israelischen Öffentlichkeit keinerlei Verständnis für die Anliegen von palästinensischen Häftlingen hat, gibt es unter der palästinensischen Bevölkerung in Israel und in der weltweiten palästinensischen Community große Anteilnahme und Unterstützung für die Hungerstreikenden. In einer Reihe von Städten in Israel mit mehrheitlich arabischer oder gemischt zusammengesetzter Bevölkerung fanden in den vergangenen Wochen öffentliche Mahnwachen statt, um auf das Schicksal der Häftlinge aufmerksam zu machen. Zusätzlich wurde über die sozialen Netzwerke zu Solidaritätsaktionen aufgerufen.

Unser Teammitglied Hana Amoury hat mit Anat Mattar und Sanaa Salameh Dakka gesprochen, die beide an einer von palästinensischen und jüdischen Aktivist*innen organisierten Mahnwache in Jaffa teilgenommen haben.

Anat Mattar

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Anat Mattar. Quelle: privat

Anat Mattar ist Dozentin an der Universität von Tel Aviv und Mitglied des „Israelischen Komitees zur Unterstützung der palästinensischen Gefangenen“.

„Die Gefangenen sind in den Hungerstreik getreten, weil es im israelischen Justiz- und Gefängnissystem eine strukturelle Diskriminierung gegen sie gibt, die auf die Unterscheidung zwischen politischen und regulären Häftlingen zurückgeht. Diese Diskriminierung kann sich auf eine behördliche Anordnung stützen, die von den Gerichten bestätigt wurde.

Die Diskriminierung kommt in den unterschiedlichen Haftbedingungen zum Ausdruck. So gibt es für palästinensische Gefangene Restriktionen bei der anwaltlichen Betreuung, die Verhöre finden unter verschärften Bedingungen statt, bei ihnen werden vielfach Maßnahmen angewendet, die als Folter zu werten sind. Und diese Diskriminierung setzt sich während der gesamten Inhaftierung fort. Die palästinensischen Häftlinge sind schlechter untergebracht und können nicht wie andere Gefangene das Recht auf Strafverkürzung und frühzeitige Haftentlassung geltend machen.

Der derzeitige Hungerstreik richtet sich nur gegen einen kleinen Teil dieses extrem ungerechten Systems. Die Beteiligten fordern grundlegende Rechte wie den Zugang zu öffentlichen Telefonen. Sie wissen, dass Telefongespräche von der Gefängnisverwaltung mitgehört werden. Trotzdem ist es für sie zentral, mit ihren Familien in Kontakt zu bleiben und regelmäßig mit ihnen kommunizieren zu können.

Israel verstößt zum Beispiel gegen die Vierte Genfer Konvention, indem der Staat Palästinenser*innen aus den besetzten Gebieten ihre Haftstrafe in Gefängnissen in den Landesgrenzen von Israel absitzen lässt. Das macht es für ihre Angehörigen recht schwer, wenn nicht gar unmöglich, sie zu besuchen. Um eine Besuchserlaubnis zu erhalten, müssen diese vermittelt über das Rote Kreuz einen Antrag an die israelische Armee richten. Das ganze Verfahren ist äußerst kompliziert und langwierig. Wenn die palästinensischen Gefängnisinsassen Zugang zu Telefonen hätten, dann könnten sie zumindest auf diesem Weg mit ihren Familien in Kontakt bleiben. Derzeitig können sie nur Briefe schreiben, aber auch hier gibt es vielfältige Einschränkungen, genauso wie beim Zugang zu Büchern. So ist es den palästinensischen Gefangenen nicht gestattet, während ihrer Haftzeit zu studieren oder ihren Schulabschluss nachzuholen. Früher gab es für sie die Möglichkeit, Studienangebote der Open University in Israel wahrzunehmen, aber auch das ist heute nicht mehr erlaubt.

Der israelische Staat besteht darauf, die palästinensischen Häftlinge als die Staatssicherheit bedrohende Gefangene (asirim bitchoniyim) einzustufen, aber tatsächlich sind sie politische Gefangene. Die Behörden machen keine weiteren Angaben zu den 6.500 Palästinenser*innen, die derzeit in israelischen Gefängnissen inhaftiert sind. Wir gehen davon aus, dass um die 500 von ihnen eingesperrt sind, ohne jemals angeklagt und verurteilt worden zu sein. Sie sind eindeutig als politische Gefangene einzustufen. Weitere Hunderte sind im Gefängnis, weil sie einer bestimmten politischen Bewegung oder Organisation angehören, weil sie Demonstrationen initiiert oder nur daran teilgenommen und dabei Steine geworfen haben. Selbst bei den Häftlingen, die einer schlimmeren Straftat für schuldig befunden wurden, ist zu berücksichtigen, dass sie Teil eines Befreiungskampfes sind, der nach dem Völkerrecht legitim ist. Schließlich müssen die Palästinenser*innen nunmehr seit 50 Jahren unter israelischer Besatzung leben. Solche Befreiungskämpfe in Reaktion auf unterdrückerische Regime hat es schon immer gegeben und wird es auch in Zukunft geben. Natürlich kann ein Besatzerstaat dies so nicht akzeptieren.

Ich habe mich als jüdische Bürgerin des Staates Israels dazu entschlossen, an dieser Mahnwache teilzunehmen, weil ich in einem demokratischen Land leben will. Israel ist für mich deswegen nicht demokratisch, weil hier eine systematische Diskriminierung der arabischen Staatsbürger*innen stattfindet und weil die israelische Armee seit 50 Jahren die palästinensischen Gebiete besetzt hält und deren Bewohner*innen schikaniert. Ich liebe dieses Land und ich möchte nirgendwo anders leben, aber ich will, dass Israel ein Land ist, in dem Gerechtigkeit herrscht, und nicht ein Land, das ständige grundlegende Rechte missachtet.“

Sanaa Salameh Dakka

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Sanaa Salameh Dakka. Quelle: privat

Sanaa Salameh Dakka ist die Ehefrau von Walid Dakka, der palästinensischer Staatsbürger Israels ist und derjenige politische Gefangene in Israel, der am längsten in Haft gehalten wird.

„Diese Mahnwache ist eine Solidaritätsaktion zur Unterstützung des unbefristeten Hungerstreiks der Gefangenen und ihrer berechtigten Forderungen. Wir protestieren gegen ihre schlechte Behandlung durch die Gefängnisverwaltung, eine Praxis, die natürlich vonseiten der rechten israelischen Regierung ganz und gar mitgetragen wird. Solange die Gefangenen ihren Kampf fortsetzen, werden auch wir unsere Solidaritätsaktionen aufrechterhalten.

Die in Hungerstreik getretenen politischen Gefangenen, die israelische Staatsbürger*innen sind, prangern die Politik und die diskriminierenden Regelungen und Maßnahmen gegen die arabischen Bürger*innen dieses Landes an. Auf dem Papier sind sie vollwertige Staatsbürger*innen, aber auch im Gefängnis haben sie weniger Rechte als jüdische Gefangene, die wegen ähnlicher Vergehen angeklagt worden sind. Ihnen werden sogar weniger Rechte zugestanden als den jüdischen Israelis, die aus ideologischen Motiven heraus palästinensische Menschen ermordet haben und deswegen im Gefängnis sitzen. Die Diskriminierung zeigt sich schon bei den Gerichtsurteilen: Ein jüdischer Mörder wird nicht die gleiche Strafe erhalten wie ein Palästinenser. Mein Ehemann ist bereits seit 31 Jahren im Gefängnis. Selbst als sein Vater im Sterben lag, hat man es ihm nicht gestattet, mit seinem Vater zu telefonieren. An eine Erlaubnis auf Freigang, um ihn ein letztes Mal zu sehen, war gar nicht zu denken. Yigal Amir, der Mörder des früheren israelischen Ministerpräsidenten Yitzhak Rabin, verfügt dagegen über alle Rechte eines normalen Gefangenen: Er darf frei telefonieren und seiner Ehefrau sind Langzeitbesuche erlaubt, er hat sogar einen Sohn mit ihr. Mein Ehemann und ich haben in den vergangenen zwölf Jahren viel Zeit damit verbracht, vor Gericht unseren Antrag auf Langzeitbesuche durchzubekommen. Erfolglos. Uns wird dieses Recht, das Ehepartnern eigentlich zugesteht, vorenthalten. Mein Ehemann ist genauso wie Amir israelischer Staatsbürger, aber in Israel existiert ein Recht für die jüdische Bevölkerung und ein anderes Recht für die arabische Bevölkerung.

Alle Rechte, über die heutzutage palästinensische politische Gefangene verfügen, mussten erkämpft werden. Sie mussten dafür streiten, dass man ihnen Besteck zum Essen gibt, sie haben um die Betten, in denen sie heute schlafen, gekämpft. Nichts wurde ihnen jemals ohne Kampf von der Gefängnisverwaltung freiwillig zugestanden. Immer wieder werden die Gefangenen zu persönlichen Opfern und Hungerstreiks gezwungen. Die Bewegung der palästinensischen politischen Gefangenen ist eine gewaltfreie Bewegung. Sie setzten die einzige Waffe ein, die ihnen geblieben ist, nämlichen ihren Körper und ihr Leben. Dies alles, um ihre Würde zu behalten und um die Gefängnisverwaltung davon abzuhalten, sie weiterhin zu demütigen. Sie kämpfen um grundlegende Rechte.“

(Übersetzt von Britta Grell, TEXT-ARBEIT)

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