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Gemeinsam anders - Die Gemeinsame Liste und progressive Politik in Israel

Die neugegründete Gemeinsame Liste, eine parlamentarische Plattform, die sehr unterschiedliche politische Positionen – von sozialistischen bis zu liberalen und islamisch-konservativen – einschließt und deren Mitglieder unterschiedlichen ethnischen Gruppen angehören, ist ein spannendes politisches Projekt und nicht nur für die israelische Politik von Bedeutung, sondern potenziell auch für die gesamte Region.

Alarmiert von Meinungsumfragen, die dem Likud eine Niederlage prophezeiten, beschloss Premierminister Benjamin Netanjahu am 17. März 2015, dem Tag der Knesset-Wahlen, jüdische Wähler*innen mit antiarabischer Rhetorik zu mobilisieren. Im Kontext einer massiven Messaging-Kampagne warnte er am Wahltag auf seiner Facebook-Seite: „Arabische Wähler gehen in Massen in die Wahllokale, linksorientierte Organisationen bringen sie in Bussen dorthin.“[1] Damit wollte er bei der jüdischen Bevölkerungsmehrheit Angst vor der arabisch-palästinensischen Minderheit schüren. Mit Erfolg: Viele bis dahin unentschlossene rechte Wähler*innen gingen letztendlich doch an die Wahlurnen, und der Likud ging als eindeutiger Gewinner aus den Wahlen hervor.

Netanjahus Äußerungen sind Teil einer umfassenderen Kampagne der Aufwiegelung und einer Reihe von Gesetzesinitiativen, die darauf abzielen, die palästinensischen Bürger*innen Israels und ihre gewählten Vertreter*innen zu delegitimieren. Seit dem Jahr 2009 setzt die Regierung Netanjahu alles daran, die politische Redefreiheit der Linken im Allgemeinen und der palästinensischen Israelis im Besonderen zu beschneiden. Es wurden mehrere Gesetze verabschiedet, die Aufrufe zum politischen Boykott oder zu Veranstaltungen zum Gedenken an die Nakba, die massenhafte Flucht und Vertreibung der Palästinenser*innen zwischen 1947 und 1949, unter Strafe stellen. Wiederholten Versuchen, ein direktes Verbot von arabischen Parteien durchzusetzen, konnte nur durch den Obersten Gerichtshof Einhalt geboten werden. Vor den letzten Wahlen setzte die Regierung auf Initiative des rechtspopulistischen Politikers und damaligen Außenministers, Avigdor Lieberman, eine Anhebung der Zwei-Prozent-Hürde auf 3,25 Prozent der abgegebenen gültigen Stimmen durch, ganz offensichtlich, um den Einzug der drei überwiegend arabischen Listen in die Knesset zu verhindern.

Die meisten Parteien in Israel waren auf die Knesset-Wahlen im März 2015, die aufgrund einer Regierungskrise überstürzt angesetzt worden waren, nicht vorbereitet. Die vier Parteien, die hauptsächlich palästinensisch-israelische Wähler*innen vertreten, sahen sich mit der angehobenen Prozenthürde konfrontiert und hatten nur ein paar Wochen Zeit, um über ihre Zukunft zu entscheiden. Sie beschlossen, sich mit einer gemeinsamen Wahlliste an den Knesset-Wahlen zu beteiligen und sie dementsprechend Gemeinsame Liste zu nennen. An der Gemeinsamen Liste beteiligen sich die arabisch-jüdische sozialistische Chadasch/al-Jabha (Demokratische Front für Frieden und Gleichheit), in der die Kommunistische Partei Israels eine führende Rolle spielt; die sozialdemokratisch gefärbte Balad/al-Tadschamu', die sich als demokratische progressive nationale Partei für die palästinensischen Bürger*innen Israels versteht; und die konservative Vereinte Arabische Liste, die sich hauptsächlich aus zwei Komponenten zusammensetzt: zum einen der Islamischen Bewegung (südlicher Flügel) und zum anderen der liberalen Ta'al (Arabische Bewegung für Veränderung), die vor allem durch ihren charismatischen Führer, Ahmad Tibi, bekannt ist und bereits in der Vergangenheit mit jeder der drei anderen Parteien zusammengearbeitet hat.

Die Kontroverse über eine gemeinsame Wahlliste

Die Entscheidung dieser politisch so unterschiedlichen Parteien, sich zusammenzutun, schien angesichts der angehobenen Prozenthürde unbedingt geboten. Zudem stand die Forderung nach einer gemeinsamen Wahlliste aller nicht zionistischen Parteien schon seit längerer Zeit im Raum; Meinungsumfragen hatten gezeigt, dass 85 Prozent der palästinensisch-israelischen Bevölkerung eine solche gemeinsame Wahlliste befürworten. Einige Basisaktivist*innen hatten sogar öffentlich damit gedroht und sich entsprechend gegenüber Knesset-Abgeordneten geäußert, sie würden nicht zur Wahl gehen und nicht für sie stimmen, falls sie keine gemeinsame Wahlliste aufstellen würden.[2] In dieser Forderung wurden sie auch von führenden Politikern in den besetzten palästinensischen Gebieten, wie zum Beispiel Mahmud Abbas, Präsident der Palästinensischen Autonomiebehörde, und Mustafa Barghouti, Vorsitzender der sozialdemokratischen al-Mubadara (Die [Palästinensische Nationale] Initiative), unterstützt sowie von führenden arabischen Intellektuellen, etwa dem Schriftsteller Elias Khoury, der die Gründung der Gemeinsamen Liste als etwas begrüßte, „das im Gegensatz steht zum Klima des Niedergangs in einer von Verwüstung und sektiererischen Kämpfen gebeutelten arabischen Welt“.[3] Zudem sprachen der Verlauf vergangener Knesset-Abstimmungen und die Erfahrungen bei der bisherigen parlamentarischen Zusammenarbeit der genannten Parteien für eine gemeinsame Wahlliste. Nicht nur in Bezug auf die Rechte der palästinensischen Minderheit, sondern auch auf soziale Gerechtigkeit und Bürgerrechtsfragen hatten sie bei Abstimmungen fast immer an einem Strang gezogen, oft zusammen mit der linksliberalen Meretz. Im Übrigen wurden und werden die Parteien der Gemeinsamen Liste von den jüdisch-israelischen Medien durchweg als Block der „arabischen Parteien“ wahrgenommen, was vor allem die arabisch-jüdische Chadasch/al-Jabha irritiert und zugleich eine Sichtweise ist, in der sich eine historische Tatsache widerspiegelt: Seit der Staatsgründung war keine der unabhängigen arabischen Parteien jemals an einer Regierungskoalition beteiligt, nicht einmal in der von Yitzhak Rabin geführten links-gerichteten Regierung in den 1990er Jahren.

Trotz der Popularität der Forderung nach einer gemeinsamen Wahlliste gab es auch skeptische Stimmen in den beteiligten Parteien. Denn seit Jahrzehnten stehen sich Chadasch/al-Jabha, Balad/al-Tadschamu' und die Islamische Bewegung eher als politische Gegner gegenüber. Ihre Rivalität ist bei Kommunalwahlen am stärksten ausgeprägt, bei denen die Wahlbeteiligung in den arabischen Ortschaften sehr viel höher ist als bei Knesset-Wahlen. Im Gegensatz zu arabischen Knesset-Abgeordneten, die sich stets in der Opposition wiederfinden, haben arabische Kommunalpolitiker*innen mehr Möglichkeiten, Einfluss auf die Verteilung des Budgets und somit auf das alltägliche Leben ihrer Wähler*innen zu nehmen. In den Kommunen streiten die Aktivist*innen der verschiedenen Parteien tagtäglich miteinander. Die Idee einer gemeinsamen Liste brachte sie deshalb in eine missliche Lage, weil sie sie nicht nur zwang, ihre Differenzen beizulegen, sondern auch ihren Stolz und ihren Ruf hintenanzustellen.

Die Spannungen zwischen der Islamischen Bewegung und den säkularen, progressiven Aktivist*innen von Chadasch/al-Jabha und Balad/al-Tadschamu' stellten ein besonders heikles Problem dar. Denn die alltäglichen Auseinandersetzungen zwischen ihnen betreffen viele Themen, etwa die Repräsentation von Frauen, die Sichtbarkeit einer säkularen bzw. „promiskuitiven“ Kultur, das Zusammentreffen von Männern und Frauen im öffentlichen Bereich, der Platz christlicher Praktiken in der Öffentlichkeit und die Rechte von LGBTI. So fragte damals eine junge Aktivistin von Balad/al-Tadschamu': „Was haben wir mit diesen Leuten gemeinsam? Wie können wir auf derselben Liste sein, wenn sie Frauen nicht an ihren Sitzungen teilnehmen lassen? Die Kluft zwischen uns und ihnen ist unüberbrückbar.“[4]

Aktive Mitglieder der betreffenden Parteien fürchteten auch, dass die Bildung einer gemeinsamen Liste als opportunistisch gedeutet werden und Wähler*innen abschrecken könnte. Andere lehnten die Idee einer gemeinsamen Liste ganz prinzipiell ab; so erklärte ein Chadasch/al-Jabha-Parteigänger in einem Interview: „Wie bei allen anderen Bevölkerungen gibt es auch innerhalb der palästinensischen in Israel interne Differenzen. Wir sind keine Herde. Menschen, die ein ganzes Leben lang versuchen, ihre Positionen in der internen Debatte ihrer Gesellschaft zu vertreten, empfanden die Gemeinsame Liste als einen Dolchstoß.“[5] Insbesondere bei der Chadasch/al-Jabha wurden die Einwände gegen die Gemeinsame Liste mit der Sorge um die Zukunft der jüdisch-arabischen Partnerschaft erklärt, die einer der wichtigen Eckpfeiler ihres Parteiprogramms ist und die in einer überwiegend arabischen Liste in den Hintergrund rücken würde. Während einige der führenden Persönlichkeiten bei der Chadasch/al-Jabha dazu aufriefen, gegen eine Beteiligung an der Gemeinsamen Liste zu stimmen, sprach sich die überwältigende Mehrheit der Parteibasis entschieden dafür aus.

Die Bildung der Gemeinsamen Liste: Ein Sieg für die Linke?

Die Verhandlungen über die Bildung der Gemeinsamen Liste begannen, nachdem im Dezember 2014 die Wahlen angesetzt worden waren, und endeten kurz vor dem letzten Registrierungstermin für die Wahllisten Ende Januar 2015. Unter diesem enormen Zeitdruck mussten die beteiligten Parteien in einem demokratischen Prozedere dem Zusammenschluss zu einer gemeinsamen Liste zustimmen, sich auf ein gemeinsames Programm und auf die Reihenfolge der Kandidat*innen einigen sowie insbesondere darauf, welche Partei die Führungsperson der Liste ernennen würde. In Bezug auf die beiden letztgenannten wichtigen Fragen hatte die sozialistische Chadasch/al-Jabha, der es am schwersten gefallen war, sich an der Liste zu beteiligen, eindeutig die Oberhand.

Das Programm der Gemeinsamen Liste enthält selbstverständlich die unumstrittenen Forderungen nach voller Gleichstellung der palästinensischen Israelis, nach dem Ende der seit 1967 bestehenden Besatzung, nach Anhebung des Mindestlohns und der Überwindung jeglicher Form von Rassismus in der israelischen Gesellschaft. Es wurden aber auch Forderungen aufgenommen, zu denen sich Mitglieder der Islamischen Bewegung nur schwer öffentlich bekennen konnten, so etwa die vollständige Gleichstellung von Frauen in allen Lebensbereichen, eine klare Ablehnung jeglicher religiös begründeten Auseinandersetzung und die Förderung des freien kulturellen und künstlerischen Ausdrucks. Als die größte der vier Parteien konnte Chadasch/al-Jabha ihren jungen und neu gewählten Vorsitzenden Ayman Odeh zum Führer der Liste machen. Die Aufteilung der Listenplätze (unter den ersten 15: Chadasch/al-Jabha – fünf; Balad/al-Tadschamu' – vier; Islamische Bewegung – vier; Ta'al – zwei) zeigt darüber hinaus, dass sich die säkulare Linke bei deren Gestaltung durchsetzen konnte, und schließlich unterstreicht sie ihren nicht sektiererischen und feministischen Charakter durch die Heterogenität der Kandidat*innen (unter ihnen zwei Frauen, zwei Christ*innen, zwei Beduinen, ein Druse und ein Jude).

Die Wahlkampagne: Zwischen Volksfront und nationaler Einheit

Die Bildung der Gemeinsamen Liste als Ad-hoc-Wahlliste ohne entsprechende eigene Strukturen stellte eine erhebliche Herausforderung dar. In den nur sieben kurzen Wochen, die bis zum Urnengang blieben, musste ein untereinander abgestimmter, zweisprachiger Wahlkampf geführt werden. Da sich die bisher bestehenden Animositäten zwischen Mitgliedern der verschiedener Parteien nicht einfach in Luft auflösten, führten kleinere Differenzen, wie zum Beispiel über die Wahl einer Grafikers/einer Grafikerin oder eines Sprechers/einer Sprecherin oder sogar einer Druckerei, zu emotional aufgeladenen Auseinandersetzungen, die das Bild der Geschlossenheit in der Öffentlichkeit gefährdeten. Um dem entgegenzuwirken, nahmen an Wahlversammlungen und den meisten öffentlichen Veranstaltungen Vertreter*innen von mindestens zwei der zur Gemeinsamen Liste gehörenden Parteien teil. Zusätzlich sorgte eine lebhafte Kampagne in den sozialen Netzwerken dafür, den Zusammenhalt zu stärken. Hunderte von Freiwilligen konnten so mobilisiert werden und schlossen sich der Kampagne mit ihren eigenen kreativen Initiativen an.

Doch eine viel grundsätzlichere Differenz in Bezug auf den Charakter der gemeinsamen Wahlliste war es, die den Erfolg der Kampagne infrage stellte. Der eine Ansatz, vor allem von den Mitgliedern von Chadasch/al-Jabha propagiert, sah in der Gemeinsamen Liste eine breite antirassistische Front und suchte die Zusammenarbeit mit den zionistischen Mitte-links-Parteien, um eine machtpolitische Alternative zur gefährlich nach rechts rückenden Netanjahu-Regierung aufzubauen. Die meisten Mitglieder von Balad/al-Tadschamu' und der Islamischen Bewegung verstanden die Gemeinsame Liste als einen nützlichen Schritt zur Förderung palästinensischer Autonomie und nationaler Identität in Israel und lehnten deshalb Verbindungen mit zionistischen Mitte-links-Parteien strikt ab. Folgerichtig waren und sind sie auch nicht bereit, die – ohnehin wenig reale – Möglichkeit eines zukünftigen Regierungsbeitritts auch nur in Betracht zu ziehen.

Der Vorsitzende der Gemeinsamen Liste, Chadasch/al-Jabha-Mitglied Ayman Odeh, der früher in der jüdisch-israelischen Öffentlichkeit vollkommen unbekannt war, verkörperte in seinen zahlreichen öffentlichen Auftritten klar die eher auf „Integration“ ausgerichtete Tendenz, wobei er sich oft auf Martin Luther King Jr. als Vorbild berief. Er brachte eine neue Terminologie in den öffentlichen Diskurs ein und inspirierte durch seinen enthusiastischen und positiven Ansatz viele jüdische und palästinensische Israelis. In seinen zahlreichen Interviews bestand er auf der Forderung nach vollkommener Gleichstellung palästinensischer Bürger*innen in Israel als Teil eines progressiven Diskurses über Bürgerrechte sowie auf der Möglichkeit eines friedlichen Zusammenlebens. Odeh erwies sich bald als populäre Persönlichkeit und erhielt häufig Einladungen zu hebräischsprachigen TV- und Radio-Sendungen; er erhielt mehr Sendezeit als jeder andere palästinensisch-israelische politische Vertreter in der Geschichte Israels. Es gelang ihm auch, die Aufmerksamkeit ausländischer Journalist*innen zu wecken, und internationale Medien wiesen auf die unverkennbaren Ähnlichkeiten zwischen Odeh und dem Vorsitzenden der prokurdischen HDP (Halkların Demokratik Partisi = Demokratische Partei der Völker), Selahattin Demirtaş, im Hinblick auf Stil, Inhalte und Auftreten hin.

Ein Hauptpunkt in Odehs Reden und im hebräischsprachigen Teil der Kampagne war die Positionierung und Darstellung der Gemeinsamen Liste als Antwort auf den wachsenden Rassismus in der israelischen Gesellschaft. In einer ikonisch gewordenen TV-Wahldebatte konfrontierte Odeh den Führer der religiösen Schas-Partei, Arieh Deri, der seine Kampagne im Namen der „durchsichtigen“ (im Sinne von: nicht wahrgenommenen) Mizrachim, also der vor allem aus muslimisch geprägten Ländern Asiens und Afrikas stammenden jüdischen Israelis, führte, mit einem einzigartigen Vorschlag. Er bot ihm an, zum Wohl aller „durchsichtigen“ Bevölkerungsgruppen in Israel, einschließlich Araber*innen, Äthiopier*innen, Frauen und Arbeitsmigrant*innen, zusammenzuarbeiten und rief zu einer breiten Koalition der Unterdrückten auf. Damit positionierte Odeh die Gemeinsame Liste als ein Forum, das gegen jede Art von Diskriminierung kämpft und nicht nur palästinensische Israelis repräsentiert.

Odehs Kurs rief jedoch Unbehagen unter palästinensischen Aktivist*innen hervor, vor allem – aber nicht nur – unter Mitgliedern von Balad/al-Tadschamu'. Sein wenig konfrontatives und eher freundliches Auftreten in öffentlichen Diskussionen wurde von einigen als Schwäche gedeutet. Kritiker*innen wiesen darauf hin, dass „er auf Arabisch anders klingt als auf Hebräisch“, und dass „er will, dass die Juden ihn mögen, und so sagt er ihnen, was für sie leicht verdaulich ist, und nicht, was sie tatsächlich hören sollten“.[6]

Seine Tendenz, über die Diskriminierung von palästinensischen Israelis und die Notwendigkeit, die Besatzung zu beenden, auf pragmatische Art und Weise zu sprechen, ohne ständig die Legitimität der zionistischen Ideologie infrage zu stellen, brachte ihm Popularität unter den israelischen Jüdinnen und Juden ein, während es die radikaleren antizionistischen Mitglieder der Gemeinsamen Liste verprellte.

Um diese widersprüchlichen Ansätze zu überbrücken, wurde „Der Wille des Volks“ als Hauptslogan für den arabischsprachigen Wahlkampf gewählt. Unter Betonung der zentralen Bedeutung einer starken Vertretung für die palästinensische Minderheit konzentrierte sich die Kampagne vor allem auf die Notwendigkeit, die Wahlbeteiligung zu erhöhen. In den letzten 20 Jahren ist die Wahlbeteiligung unter den palästinensischen Israelis aus zahlreichen Gründen kontinuierlich zurückgegangen: Apathie und Enttäuschung infolge der Ohnmacht der arabischen Abgeordneten in der Knesset, Unmut über die inneren Streitereien unter den nicht zionistischen Parteien und der allgemein fehlende Glaube an Veränderungsmöglichkeiten in einem inhärent rassistischen System. Mehrere Gruppen unter den palästinensischen Israelis, wie der nördliche Flügel der Islamischen Bewegung und die links-nationalistische Abnaa' el-Balad, riefen sogar zum Wahlboykott auf. Um solchen Ressentiments entgegenzuwirken, betonte die Wahlkampagne die einmalige Chance, drittgrößte Fraktion im Parlament zu werden und damit die extrem rechte Siedlerpartei HaBajit HaJehudi („Das jüdische Haus/Heim“) zu übertrumpfen. Der reichlich optimistische Wahlkampfslogan „Wir können 15 [Knesset-Sitze] erreichen“ griff diese Zuversicht auf, ein noch nie für die palästinensisch-israelischen Wähler*innen in den Bereich des Möglichen gerücktes Ziel diesmal zu erreichen.

Die Wahlergebnisse: Ein bedeutender Sieg – und die Rückkehr Netanjahus

Trotz der weitverbreiteten Ressentiments gegen die Likud-Partei und ihre Sozialpolitik war Netanjahus extrem polarisierende Kampagne in den letzten Tagen des Wahlkampfs erfolgreich; es gelang ihm, seine Wählerbasis massiv zu mobilisieren, die allgemeine Wahlbeteiligung um fünf Prozent im Vergleich zu den vorherigen Wahlen zu steigern und seiner Partei ein Viertel der Sitze im Parlament zu sichern. Die Ergebnisse der anderen rechten und religiösen Parteien gewährleisteten das Fortbestehen der Regierung Netanjahu und machten jede Möglichkeit einer Mitte-links-Koalition, die die Gemeinsame Liste eventuell unterstützt hätte, zunichte.

Angesichts solch bedrohlicher Entwicklungen fand das gute Ergebnis der Gemeinsamen Liste, obwohl es einen historischen Erfolg darstellt, relativ wenig Aufmerksamkeit. Es war ihr gelungen, die Wahlbeteiligung der israelischen Palästinenser*innen von 57 auf beachtliche 64 Prozent zu erhöhen und 85 Prozent der Stimmen in den arabischen Ortschaften zu bekommen. (Bei den Wahlen im Jahr 2013 hatten die drei Listen zusammen 77 Prozent der arabischen Stimmen erhalten.[7]) Die Zahl der jüdischen Wähler*innen, vor allem der Chadasch/al-Jabha, die schon bei früheren Wahlen lediglich eine hohe vierstellige bis niedrige fünfstellige war, verringerte sich ein wenig, auch weil einige Chadasch/al-Jabha-Wähler*innen für Meretz stimmten, weil sie fürchteten, diese könnte an der Prozenthürde scheitern. Mit 13 Knesset-Sitzen (von insgesamt 120), die die Gemeinsame Liste schließlich erhielt, ist sie nun ein starker Akteur, wie es zuvor keine parlamentarische Vertretung der palästinensischen Israelis jemals war.

Die drittgrößte Fraktion: Ein game changer in der Knesset

Als zweitgrößte oppositionelle Fraktion spielt die Gemeinsame Liste eine entscheidende Rolle in der Oppositionsarbeit und hat in beispielloser Weise politischen Einfluss gewonnen. Aufgrund ihrer Größe wurde der Gemeinsame Liste die Leitung des Knesset-Ausschusses zur Förderung von Frauen und der Gleichstellung der Geschlechter übertragen, zu dessen Vorsitzende Aida Touma-Suleiman, feministische Aktivistin und Mitglied der KPI, ernannt wurde. Damit erlangte zum ersten Mal in der Geschichte Israels ein/e PalästinenserIn die Kontrolle über einen ständigen Knesset-Ausschuss mit tatsächlichen Gesetzgebungsbefugnissen. Dies ist umso bemerkenswerter im Zusammenhang mit den Schwierigkeiten, die palästinensische Frauen haben, überhaupt in wichtige politische Funktionen gewählt zu werden. Als Vorsitzende des Knesset-Ausschusses konnte Touma-Suleiman feministische Kämpfe von einer intersektionalen Position aus präsentieren und Themen auf den Tisch bringen, die nie zuvor im Ausschuss behandelt worden waren, weil vorherige Vorsitzende sie für irrelevant gehalten hatten. Darunter waren zum Beispiel die Auswirkungen von Häuserabrissen auf Frauen und Kinder, die Trennung zwischen palästinensischen und jüdischen Frauen in Entbindungsstationen sowie sexuelle Gewalt seitens der Polizei. Dass sie in der Lage war, legislative Aufmerksamkeit auf „allgemeine“ Frauenfragen zu richten und dabei die spezifischen Anliegen von Palästinenser*innen, von Frauen der Arbeiterklasse und von LGBTI einzuschließen, zeugt von dem großen Potenzial der Gemeinsamen Liste, Israels herrschender Segregationspolitik wirksam entgegenzutreten.

Eine weitere positive Auswirkung der Gemeinsamen Liste betrifft eine Einstellungsänderung jüdischer Knesset-Abgeordneter gegenüber ihren Kolleg*innen. Die Liste kooperiert in bestimmten Fragen von gemeinsamem Interesse mit anderen Fraktionen, und ihr Beitrag hat in verschiedenen Zusammenhängen durchaus Gewicht. „Zum ersten Mal überhaupt werden wir gefragt, was wir von ihren Vorschlägen und Ideen halten“, bemerkte die Balad/al-Tadschamu'-Abgeordnete Haneen Soabi. Die erhöhte Wahrnehmung in der Knesset hat auch zu mehr Aufmerksamkeit in den Medien geführt und zu einer Zunahme von Aktivitäten auf internationaler Ebene, mehr Einladungen, im Ausland zu sprechen, und häufigere Treffen mit Diplomat*innen und ausländischen Politiker*innen, die Israel besuchen.

Doch der wahrscheinlich größte Erfolg, der der Gemeinsamen Liste zugeschrieben wird, lag in der Zustimmung der Regierung zu einem Finanzplan mit einer Laufzeit von fünf Jahren, der darauf abzielt, die Kluft zwischen palästinensischen und jüdischen Bürger*innen dadurch zu verringern, dass rund 15 Milliarden Schekel (ca. 3,5 Milliarden Euro) in Projekte in arabischen Kommunen fließen sollen. Der Plan, der beim Finanzministerium aufgrund negativer OECD-Berichte über die systematische Diskriminierung von nichtjüdischen Bürger*innen Unterstützung fand, wurde schließlich Ende 2015 trotz massiver Einwände einiger Regierungsmitglieder verabschiedet. Die Annahme des Entwurfs wird weithin dem Einfluss der intensiven Arbeit von Mitgliedern der Gemeinsamen Liste, des Komitees der arabischen Bürgermeister*innen und von einigen linken Nichtregierungsorganisationen zugeschrieben. Die parlamentarische Stärke der Gemeinsamen Liste ermöglicht es ihr auch, die Umsetzung des Plans, die mehrere extremrechte Minister eventuell zu untergraben suchen, kritisch zu begleiten.

Die Tatsache, dass es die Gemeinsame Liste gibt, hat auch außerhalb der Knesset positive Auswirkungen. Die Abnahme der Spannungen zwischen den politischen Gruppierungen ermöglicht die Zusammenarbeit im Kampf gegen Waffengewalt und insbesondere gegen Gewalt gegenüber Frauen, ein großes Problem, unter dem die palästinensische Gesellschaft in Israel leidet. Nachdem die Organisatorin des ersten Frauen-Marathons in der arabischen Stadt Tira Morddrohungen von fundamentalistischen Islamisten erhalten hatte und auf ihr Auto geschossen worden war, konnte umgehend ein Solidaritätsbesuch von Mitgliedern aller an der Gemeinsamen Liste beteiligten Parteien, einschließlich der Islamischen Bewegung, organisiert werden. Die Existenz der Gemeinsamen Liste ebnete auch den Weg für ihre progressiveren Mitglieder, mit konservativen Kreisen direkten Kontakt aufzunehmen und ins Gespräch zu kommen. Dazu äußerte sich auch Aida Touma-Suleiman, als sie einmal öffentlich zu den negativen Auswirkungen der Zusammenarbeit mit Islamisten befragt wurde. Sie sagte, dass ihr als feministischer Kommunistin die Zusammenarbeit mit der Islamischen Bewegung zum ersten Mal ermögliche, mit Beduinenfrauen zusammenzusitzen und ihnen zuzuhören; was vorher in den sehr religiösen Bevölkerungskreisen des Negevs unvorstellbar gewesen sei. Die scharfe Reaktion von Chadasch/al-Jabha- und Balad/al-Tadschamu'-Mitgliedern auf die Veröffentlichung eines hetzerischen, homophoben Artikels des nördlichen Flügels der Islamischen Bewegung (der nicht Teil der Gemeinsamen Liste ist) ein paar Wochen nach der Wahl hat darüber hinaus gezeigt, dass eine gemeinsame Liste mit konservativeren Elementen nicht die progressiveren Teile der Liste daran hindert, öffentlich Kritik zu äußern.

Auch unter den jüdischen Anhänger*innen regte die Gemeinsame Liste eine parteipolitisch übergreifende Zusammenarbeit an, insbesondere die Gründung einer neuen Mizrachi-Gruppe: „Die Mizrachi-Palästinensische Partnerschaft“. Diese Gruppe progressiver Mizrachi-Aktivist*innen und -Intellektueller hat sich der Gemeinsamen Liste angeschlossen, um den Kampf gegen die kulturelle und wirtschaftliche Diskriminierung der aus Asien und Afrika stammenden jüdischen Bürger*innen mit dem palästinensischen Kampf für gleiche Rechte zu verbinden. So heißt es in ihrem Manifest: „Die Gründung der Gemeinsamen Liste stellt eine Einladung dar, sich eine Zukunft vorzustellen, in der wir in einem offenen, integrativen Nahen Osten leben, der nach Gerechtigkeit strebt. In einer Realität der Verzweiflung, der Belagerung, des Kriegs, des Rassismus und der Unterdrückung fordern wir eine Allianz all derer, die angetreten sind, gegen die neoliberale Gesellschaftsordnung zu kämpfen und gegen die antidemokratischen Kräfte, die darauf aus sind, uns zu zerstören.“[8]

Zusammenhalt bewahren in Zeiten des Aufruhrs

An der jüngsten Welle der Gewalt in den besetzten palästinensischen Gebieten, die auch nach Israel selber überschwappte, waren auch junge palästinensische Bürger*innen Israels beteiligt. Zwar handelte es sich um relativ wenige Fälle,[9] doch haben sich in diesem Zusammenhang die arabisch-jüdischen Beziehungen in Israel weiter verschlechtert bis hin zu mehrfachen Mob-Angriffen auf Menschen, die für palästinensisch gehalten wurden. In sozialen Netzwerken und in von Regierungskreisen unterstützten öffentlichen Kampagnen wurden Menschenrechtsorganisationen, linke Aktivist*innen sowie Mitglieder der Gemeinsamen Liste und von Meretz als Gefahr für die Sicherheit Israels dargestellt. Unterdessen rückte die Führung der Arbeitspartei nach rechts, stellt ihr Engagement für eine Zweistaatenlösung hintan und fordert härtere Repressionen gegen die Palästinenser*innen.

Die Eskalation der Gewalt und die brutale Reaktion der israelischen Armee, einschließlich der Weigerung, die Leichen getöteter Angreifer ihren Familien zu übergeben, lösten heftige öffentliche Diskussionen aus. Insbesondere auf die Mitglieder der Gemeinsamen Liste richtete sich dabei der geballte rechtspopulistische Zorn. Trotz ihrer eindeutigen Ablehnung von Gewalt wurden die Mitglieder der Gemeinsamen Liste öffentlich des Verrats und der Unterstützung des palästinensischen Terrorismus beschuldigt, als sie sich gegen unverhältnismäßige Gewaltanwendung vonseiten des Staates aussprachen. Ein Treffen von Balad/al-Tadschamu'-Mitgliedern mit Familien von getöteten palästinensischen Angreifern, um die Rückgabe der Leichen ihrer Kinder für die Beerdigung zu koordinieren, veranlasste Netanjahu persönlich, ihren sofortigen Ausschluss aus der Knesset zu fordern. Umgehend wurde ein neues Gesetz ins Gespräch gebracht und einige Monate danach verabschiedet, das es einer parlamentarischen Mehrheit von 90 Knesset-Mitgliedern ermöglicht, Abgeordnete für die gesamte Legislaturperiode aus der Knesset auszuschließen. Die vor Kurzem gefällte Regierungsentscheidung, den nördlichen Flügel der Islamischen Bewegung entgegen dem Rat des Allgemeinen Sicherheitsdiensts zu verbieten, hat die Gemeinsame Liste weiter unter Druck gesetzt und in ihren Reihen die Befürchtung ausgelöst, als nächste von einem Verbot betroffen zu sein. Angesichts der bösartigen Angriffe, darunter auch Gewaltdrohungen gegen Abgeordnete in der Knesset,[10] hat die Gemeinsame Liste bisher ihre Entschlossenheit und Einheit unter Beweis gestellt. So verteidigte Ayman Odeh die Balad/al-Tadschamu'-Mitglieder rückhaltlos und drohte mit dem Rücktritt der gesamten Liste, falls auch nur einer ihrer Abgeordneten aus dem Parlament ausgeschlossen werde.

Schlussbemerkungen

Entgegen vielen kritischen Prognosen, die das Auseinanderbrechen der Gemeinsamen Liste unmittelbar nach den Wahlen prophezeiten, stellt sie heute eine erfolgreiche Plattform linker Politik dar, dem erhöhten politischen Druck von rechts und der allgemeinen Atmosphäre der Gewalt in Israel – und in den besetzten Palästinensergebieten – zum Trotz. Vor allem angesichts des enttäuschenden Wahlergebnisses von Meretz (fünf Sitze) und der fortgesetzten Rechtsverschiebung der Arbeitspartei wurde die Gemeinsame Liste zur führenden antirassistischen Kraft für soziale Gerechtigkeit und Frieden in der israelischen Politik.

Die berechtigten Bedenken der säkularen und linken Aktivist*innen, dass ein Bündnis mit der Islamischen Bewegung oder mit den nationalistischen Mitgliedern von Balad/al-Tadschamu' den progressiveren Elementen der Gemeinsamen Liste schaden könnte, haben sich nicht bestätigt. Im Gegenteil: Die Gemeinsame Liste kann durchaus als ein sehr produktives Unterfangen der arabisch-jüdischen Linken bewertet werden, das die politische Agenda für die gesamte palästinensisch-israelische Bevölkerung prägt und soziale Veränderungen aus einer Position der Stärke anstrebt, wie sie ohne die Konsolidierung durch die Wahlliste undenkbar wäre. Darüber hinaus könnte der Dialog zwischen den beteiligten Linken und der Islamischen Bewegung, die ihre öffentlichen Positionen in Bezug auf Frauenrechte und interreligiöse Zusammenarbeit im Laufe des letzten Jahres zum Positiven modifiziert hat, eine Möglichkeit für produktives Engagement mit verschiedenen islamischen Gruppen in der Region aufzeigen.

Eine der ermutigenden Auswirkungen der Gemeinsamen Liste ist die hoffnungsvolle Botschaft, die von ihr insbesondere für Palästinenser*innen insgesamt und darüber hinaus für die arabische Welt ausgeht. Die zehnjährige, oft mit Gewalt verbundene Spaltung zwischen Hamas und Fatah in den besetzten palästinensischen Gebieten mit ihren verheerenden Folgen für den Kampf um die nationale Unabhängigkeit ist ein Desaster für die innerpalästinensische Politik. Die Partnerschaft von religiösen und säkularen Kräften – muslimische, christliche, drusische und jüdische Menschen –, die alle am selben politischen Projekt beteiligt sind, verkörpert die reale Möglichkeit, Konflikte demokratisch und partnerschaftlich zu lösen und eine gemeinsame Strategie für das Gemeinwohl zu entwickeln. Diese Botschaft gewinnt an Relevanz angesichts der Zunahme sektiererischer Gewalt in der ganzen arabischen Welt, die durch die Kriege in Syrien und Jemen weiter angefacht wird. Die Gemeinsame Liste gehört – neben der HDP in der Türkei, deren politisches Programm viele Ähnlichkeiten aufweist – zu den wenigen progressiven politischen Strukturen im Nahen Osten, die in letzter Zeit an Dynamik gewonnen haben, und konnte bereits mehr als erwartet erreichen. Somit ist das weitere Bestehen der Gemeinsamen Liste von größter Bedeutung, nicht nur für Israel-Palästina, sondern für alle emanzipatorischen Projekte in der Region.

Trotzdem gibt es noch viele Schwierigkeiten, die die Gemeinsame Liste daran hindern, ihr volles Potenzial auszuschöpfen: Das Fehlen gemeinsamer Strukturen der Parteien, die der Gemeinsamen Liste angehören, und der Mangel an täglicher Koordination zwischen ihnen haben bereits zu Peinlichkeiten in den Medien geführt und bestehende Konflikte verschärft. Mehr noch, dieses Manko behindert die Entwicklung einer Langzeitstrategie zur Erreichung realistischer politischer Ziele im Parlament. Und schließlich leidet darunter auch die moralische Autorität, die der Gemeinsamen Liste als einziger demokratisch gewählter Vertretung des palästinensischen Volkes zukommt (in den besetzten Palästinensergebieten haben seit Jahren keine Wahlen mehr stattgefunden) und die sie dazu nutzen könnte, zur nationalen Aussöhnung in den besetzten palästinensischen Gebieten beizutragen oder eine größere Rolle bei der Beendigung der israelischen Besatzung zu spielen.

Die größte Gefahr für das Fortbestehen der Gemeinsamen Liste geht allerdings von den anhaltenden Versuchen der extremen Rechten aus, Mitglieder der Gemeinsamen Liste aus der Knesset auszuschließen. Die Kampagne zur Delegitimierung der Linken und der palästinensischen Minderheit, die sowohl mit juristischen als auch medialen Mitteln geführt wird, sowie die wiederholten und vielfältigen Vorstöße der Regierung, die Rechtsstaatlichkeit in ihren Fundamenten zu erschüttern, stellen eine echte Gefahr für alle demokratischen Kräfte in Israel dar. Der Aufstieg von noch gewalttätigeren und fanatischeren rechten Gruppen in der israelischen Gesellschaft und die Zunahme ihres Einflusses auf staatliche Organe haben eine wachsende Zahl israelischer Jüdinnen und Juden zu der Forderung inspiriert, nicht jüdischen Staatsbürger*innen das Wahlrecht zu entziehen, was insbesondere die Mitglieder der Gemeinsamen Liste in eine prekäre Lage bringt.

In der aktuellen, hoch bedrohlichen Situation plädieren die Mitglieder der Gemeinsamen Liste dafür, den Kampf für gleiche Rechte und soziale Gerechtigkeit in Israel als mit dem palästinensischen Kampf für Unabhängigkeit zutiefst verbunden wahrzunehmen. Das bedeutet, dass in ihren Augen die gegenwärtige Welle der Unterdrückung, die sich gegen die Linke und die palästinensische Minderheit in Israel richtet, aufs Engste mit der Intensivierung der Gewaltanwendung seitens der Armee und der Siedler*innen in den besetzen Gebieten verflochten ist.

Angesichts der Zugewinne der demokratiefeindlichen Rechten in Israel, die von Netanjahu selbst angeführt wird, ist internationale Solidarität mehr denn je notwendig. Eine Intensivierung der öffentlichen Kontakte mit der Gemeinsamen Liste ist in dieser Situation ein Gebot der Stunde.

Eine verkürzte Fassung ist in der Reihe Standpunkte erschienen:

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Übersetzungen in anderen Sprachen:

English: The Joint List (PDF)

Français: La liste conjointe (PDF)

ελληνικά: Η Κοινή Λίστα (PDF)

Über die Autoren

Hana Amoury, 1983 in der palästinensischen Stadt Shafa-'Amr im Norden Israels geboren, war bis 2015 Leiterin der israelischen Organisation Sadaka-Re'ut (Arabisch und Hebräisch für „Freundschaft“) – Partnerschaft von arabischen und jüdischen Jugendlichen. Im Laufe der Jahre beteiligte sie sich an verschiedenen sozialen und politischen Kämpfen, vor allem in Bezug auf Wohnrechte der Palästinenser*innen in Jaffa und im öffentlichen sozialen Wohnungsbau, sowie auch am Widerstand gegen den Bau der Sperranlage in der Westbank. Hana Amoury ist Mitglied von Hithabrut-Tarabut (Arabisch und Hebräisch für „miteinander verbunden sein“), einer jüdisch-arabischen Bewegung, die sich Chadasch/al-Jabha angeschlossen hat und das Ziel verfolgt, eine auf einer breiten Basis beruhende Linke durch die Verknüpfung der Kämpfe unterschiedlicher marginalisierter Gruppen zu schaffen.

Yossi Bartal ist ein in Berlin lebender Aktivist und Autor. Schon früh engagierte er sich in queeren und Anti-Besatzungs-Initiativen in Jerusalem und arbeitete in der palästinensisch-israelischen Nichtregierungsorganisation The Alternative Information Center. Seit seiner Übersiedelung nach Berlin engagiert er sich in Palästina-Solidaritäts-Aktivitäten und ist derzeit Vorstandsmitglied der Jüdischen Stimme für gerechten Frieden in Nahost.

Tsafrir Cohen leitet das Israel-Büro der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Tel Aviv.

(Übersetzt von Ursula Wokoeck Wollin)

Literaturhinweise:

Die palästinensischen Staatsbürger*innen Israels - Nabila Espanioly

Remnick, David: Seeds of Peace. Ayman Odeh’s unlikely crusade, in: New Yorker, 25.1.2016. Ein Portrait (Englisch) des Chadasch/al-Jabha-Vorsitzenden und Knesset-Mitglieds, Ayman Odeh, der der Gemeinsamen Liste vorsteht. David Remnick ist Chefredakteur des New Yorker, einer der bedeutendsten Zeitschriften der USA, und erhielt 1994 für sein Buch „Lenin’s Tomb: The Last Days of the Soviet Empire“ den Pulitzer-Preis, siehe hier

Das linke israelische Online-Magazin +972, das in englischer Sprache erscheint, hat eine der Gemeinsamen Liste gewidmete Seite eingerichtet.

Aktuelle Ausgabe des Magazins "Jadal" über die Gemeinsame Liste (auf Englisch und Arabisch).

Dokumentiert: Das Programm der Gemeinsame Liste,

Links oder zionistisch? Ein Blick auf die Geschichte linker Parteien in Israel - Noam Sheizaf.

Anmerkungen:

[1] Netanjahu warnt vor arabischen Wählern, in: Die Zeit, 17.3.2015

[2] Zahalka, Jamal: The Joint List: a united front or a national front, in: Mada al-Carmel – Jadal 25, Januar 2016.

[3] Khoury, Elias: Yes to the Joint List, in: al-Quds al-Arabi, 9.3.2015.

[4] Basierend auf der Untersuchung und den Interviews, die von den Autoren durchgeführt wurden.

[5] Ebd.

[6] Ebd.

[7] Rudintzky, Arik: Tel Aviv Notes: Arab Politics in Israel and the 19th Knesset Elections, Moshe Dayan Center 2013.

[8] Shemoelof, Mati: Open Call: An Eastern Joint Initiative – Mizrachi Palestinian Partnership, 10.5.2016.

[9] Gemäß eines vor Kurzem auf der Webseite des Allgemeinen Sicherheitsdienstes veröffentlichten Berichts waren vier Prozent der Angreifer in der jüngsten Welle der Gewalt israelische Bürger*innen.

[10] Arab MPs in Israel’s Knesset suffer incitement and hate (Arabische Parlamentsabgeordnete in Israels Knesset leiden unter Hetze und Hass), in: Aljazeera, 23.10.2015.

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Autor:in

Tsafrir Cohen leitete das Israel-Büro der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Tel Aviv zwischen 2015-2020.