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Plakat, das US-Präsident Donald Trump mit dem israelischen Premierminister Benjamin Netanjahu zeigt, als Teil der Likud-Wahlkampagne, in Tel Aviv am 11. September 2019. Auf dem Poster steht: Netanjahu. Eine andere Liga. Foto: Miriam Alster/Flash90

Israels Zukunft 2025: wie der Ausgang der US-Wahlen den Kurs (mit-)bestimmt

Israels Zukunft 2025: Die US-Präsidentschaftswahlen könnten entscheidenden Einfluss auf Israel haben. Mit einem Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Kamala Harris und Donald Trump stellen sich Fragen zur US-Politik und ihren Auswirkungen auf den Nahen Osten. Wer wird die besseren Beziehungen zu Israel fördern?

Bei den Präsidentschaftswahlen in den USA liefern sich Kamala Harris und Donald Trump ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Umfragen zufolge liegen beide Kandidat*innen insbesondere in den sieben bis acht Swing States gleichauf, die für den Ausgang der Wahl entscheidend sein werden. Viele US-Amerikaner*innen betrachten diese Wahl als die wichtigste politische Abstimmung ihres Lebens, da möglicherweise das Schicksal der US- Demokratie auf dem Spiel steht. Doch wie wird diese Wahl sich auf die Situation in Israel auswirken? In diesem kurzen Artikel will ich versuchen, die möglichen Auswirkungen der US-Wahlen auf Israel zu skizzieren, die ein Wahlsieg von Donald Trump oder Kamala Harris mit sich bringen würde.

Sollte Donald Trump die Wahlen gewinnen

Zunächst müssen wir mit der Vorstellung aufräumen, dass Donald Trump als Präsident «gut für Israel» war. Rückblickend trifft das nicht zu.

Zunächst müssen wir mit der Vorstellung aufräumen, dass Donald Trump als Präsident «gut für Israel» war. Rückblickend trifft das nicht zu. Trump hat die gesamte Region destabilisiert, indem er die USA aus dem Atomabkommen mit dem Iran zurückzog. Das Ergebnis war, dass Iran in die Hände der größten geopolitischen Kontrahenten der USA, China und Russland, getrieben wurde, was dazu beitrug, einen «neuen Kalten Krieg» zu schüren. Im Rahmen des Atomabkommens hatten die USA verschiedene finanzielle Hebel in der Hand, um die Islamische Republik zu kontrollieren. Doch Trumps Ausstieg aus dem Abkommen hat Iran erkennen lassen, dass das Land den Westen zwar braucht, um zu gedeihen, aber nicht um zu überleben. Bevor Trump das Iran-Abkommen aufkündigte, gingen nur 25 Prozent der iranischen Ölexporte nach China. Heute, im Jahr 2024, sind es satte 90 Prozent. War das Land früher dem Westen zugetan, steht es heute der chinesisch-russischen Achse näher. Dies hat nicht nur dazu geführt, dass Iran bei den Angriffen seiner Stellvertreter auf Israel unbefangener vorgeht, sondern auch, dass er einer Atombombe näher ist als je zuvor. Darüber hinaus spielten Trumps Abraham-Abkommen mit ziemlicher Sicherheit eine Rolle beim Hamas-Angriff vom 7. Oktober 2023. Als Präsident bestand seine Strategie darin, den «Deal des Jahrhunderts» über die Köpfe des palästinensischen Volkes hinweg abzuschließen – das heißt, einen «Friedensvertrag» zu schließen, der die Menschen ausschließt, mit denen Israel eigentlich Frieden schließen müsste. Die Vereinigten Arabischen Emirate und die Golfstaaten hatten sich schon lange vor Trumps Amtsantritt auf Israels Seite geschlagen, aber Trumps Abraham-Abkommen nahm den USA eines der letzten Anreize, mit denen sie Israel an den Verhandlungstisch hätten bringen können. Dies schwächte nicht nur die gemäßigten palästinensischen Kräfte, sondern brachte auch die Hamas in Zugzwang, da sie das Gefühl hatte, die Welt an die «vergessenen» Palästinenser*innen erinnern zu müssen, die ignoriert und übergangen worden waren. Tatsächlich ereignete sich das schreckliche Massaker vom 7. Oktober genau zu dem Zeitpunkt, als die Hamas befürchtete, dass die Biden-Administration – die sich der Trump-Strategie angeschlossen und die Wiederbelebung eines Iran-Abkommens aufgegeben hatte – versuchen würde, die Beziehungen zwischen Israel und Saudi-Arabien zu normalisieren, ohne dies an ein Ende der Besatzung und eine Zweistaatenlösung zu knüpfen.

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Plakat an der Ayalon-Autobahn in Tel Aviv zur Unterstützung von US-Präsident Donald Trump wenige Tage vor den US-Wahlen, 21. Oktober 2020. Foto: Miriam Alster/Flash90

Wie wird sich Trump verhalten, sollte er erneut zum Präsident gewählt werden? Im Gegensatz zu den demokratischen Spitzenpolitiker*innen muss Trump nicht so tun, als würde ihm das Leben der Palästinenser*innen am Herzen liegen. Der Druck auf Israel aufgrund «humanitärer Krisen» wird nachlassen, worunter die palästinensische Zivilbevölkerung am meisten leiden würde. In Bezug auf den Gaza-Krieg, ist es nicht abwegig zu glauben, dass Trump, wie er bereits angedeutet hat, Netanjahu dazu zwingen könnte, den Krieg zu beenden, um sich für einen Geiseldeal feiern zu lassen. Trump steht dem israelischen Premierminister in Sachen Zynismus in nichts nach und weiß, dass Netanjahu nur aus politischen Gründen Zeit schindet. Er könnte diese Farce durchschauen und beschließen, dass es an der Zeit ist, ihm die Unterstützung zu entziehen. Doch selbst wenn Trump den Krieg beenden sollte, wird er wahrscheinlich nicht versuchen, die Palästinensische Autonomiebehörde oder andere gemäßigtere politische Gruppen zu stärken, um die Hamas am «Tag danach» zu stürzen. Es gibt keine Anzeichen dafür, dass er daran interessiert ist, und auch Netanjahu wird dies nicht wollen. Wenn wir in den fast 30 Jahren seit Netanjahus Amtsantritt eines gelernt haben, dann, dass er die Hamas der Palästinensischen Autonomiebehörde immer vorziehen wird, um jede Chance auf eine Zweistaatenlösung zu verhindern. Trump wird sich in dieser Hinsicht wahrscheinlich nach dem israelischen Ministerpräsidenten richten.

Im Gegensatz zu den demokratischen Spitzenpolitiker*innen muss Trump nicht so tun, als würde ihm das Leben der Palästinenser*innen am Herzen liegen. Der Druck auf Israel aufgrund «humanitärer Krisen» wird nachlassen, worunter die palästinensische Zivilbevölkerung am meisten leiden würde.

Wie in Bezug auf den Norden Israels geht Trump waghalsig vor, wenn er eine umfassende Eskalation fordert nd sogar vorschlägt, Israel solle die iranischen Atomanlagen angreifen. Der Grund dafür ist wahrscheinlich, dass ein größerer regionaler Krieg in den Wochen vor den US-Wahlen seinen Wahlchancenzugutekommen würde, da er sich weiterhin als der Kandidat präsentieren könnte, der der Welt Frieden und Stabilität bringt. Darüber hinaus könnte ein Angriff auf die iranische Ölproduktion zu einem Anstieg der Energiepreise führen, genau die Art von «Oktober-Überraschung», die die US-Amerikaner*innen an den Zapfsäulen teuer zu stehen kommen könnte – und Kamala Harris die Wahl kosten könnte. Es ist jedoch nicht klar, ob Trump die USA in einen umfassenden Krieg mit Iran stürzen würde, sobald er im Amt ist. Er ist sich bewusst darüber, dass die amerikanische Bevölkerung nach dem Irak-Krieg keine Lust mehr auf militärische Interventionen hat. In seiner ersten Amtszeit spielte er nicht die Rolle eines Interventionisten, und angesichts seiner starken Neigung zum Isolationismus ist nicht auszuschließen, dass Israel in einem regionalen Krieg gegen Iran mit weniger Unterstützung als von der Biden-Administration dastehen würde.

Dies führt uns zu Trumps allgemeiner geopolitischen Strategie. Er hat wiederholt erklärt, dass er nach dem Motto «America First» an eine Isolationspolitik der USA glaubt, die nicht mehr für die Sicherheitskosten anderer Länder aufkommen soll. Könnte das eines Tages auch Israel einschließen? Das zehnjährige «Memorandum of Understanding» zwischen den USA und Israel läuft in Kürze aus, und diejenigen Israelis, die sich sicher sind, dass Trump genauso viel oder sogar mehr Geld zur Verfügung stellen wird als Barack Obama, könnten ein böses Erwachen erleben. Ich bezweifle zwar, dass Trump die ausländische Militärhilfe für Israel wesentlich kürzen wird, aber er könnte einen wichtigen Präzedenzfall schaffen. Unterdessen scheint die nächste Generation von republikanischen Anführer*innen – wie der Vizepräsidentschaftskandidat JD Vance – weniger mit Israel verbunden zu sein, was möglicherweise auf den schwindenden Einfluss evangelikaler Wähler*innen auf die republikanische Partei zurückzuführen ist. Vance entschied sich, einen Holocaust-Leugner, dessen Äußerungen in der Sendung von Tucker Carlson für Aufsehen gesorgt hatten, nicht zu kritisieren, und gab damit möglicherweise einen ersten Hinweis auf die Zukunft der Beziehungen zwischen Israel und den USA.

Hinzu kommt Trumps beunruhigende Begeisterung für Wladimir Putins Russland, das in jüngster Zeit sehr enge militärische, wirtschaftliche und technologische Beziehungen zum Iran etabliert hat. Man kann also davon ausgehen, dass eine zweite Amtszeit Trumps nicht nur die Demokratie in den USA, sondern auch die Sicherheit und die Interessen Israels gefährden könnte.

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Israelische Trump-Anhänger bei einer Solidaritätskundgebung am 2. November 2020 in Beit Shemesh vor den US-Präsidentschaftswahlen. Foto: Yaakov Lederman/Flash90.

Sollte Kamala Harris gewinnen

Es ist unklar, welche Haltung Harris gegenüber Israel einnehmen wird. Viele Israelis betrachten Joe Biden als den «letzten Zionisten» in der Demokratischen Partei. Dieser Darstellung zufolge spiegelt Harris einen wichtigen Wandel in einer jüngeren Generation von US-Amerikaner*innen wider, deren Erwachsenwerden nicht in die Zeit von Golda Meir oder des Jom-Kippur-Krieges fiel, sondern eher in die Zeit von Ariel Sharon, des Massakers von Sabra und Schatila und der ersten Intifada. Harris' Generation wuchs in einer Welt auf, in der Israel eher der Aggressor und Eroberer als das Opfer war. Obwohl diese Generation Israel immer noch unterstützt, hat sie eine weniger emotionale Verbindung zum Zionismus. Wie wirkt sich das auf die Politik aus?

Einige Beobachter*innen gehen davon aus, dass Harris nicht nur das Leid der Palästinenser*innen stärker anerkennen (was in einigen rechts gerichteten Kreisen schnell als antisemitisch gewertet wird), sondern auch eine härtere Gangart gegenüber Israel einschlagen wird. Sie stellen sich ein Szenario vor, in dem Israel mit der Einstellung dringend benötigter Waffenlieferungen aus den USA konfrontiert wird, um es zu zwingen, die Kriege in Gaza und im Libanon zu beenden und einen Geiseldeal einzugehen. Man könnte es auch anders ausdrücken: Während Biden vor allem leere Drohungen ausgesprochen hat, wird Harris Netanjahu tatsächlich unter Zugzwang setzen.

Eine der falschen Behauptungen über Kamala Harris ist, dass sie zum progressiven Flügel der Demokratischen Partei gehört. Die Leute schließen das aus ihrem kurzlebigen Präsidentschaftswahlkampf 2019, als sie glaubte, sie müsse nach links rücken, um Bernie Sanders und Elizabeth Warren auszustechen. In Wirklichkeit ist Harris eine moderate Demokratin.

Das kann ich mir allerdings nicht vorstellen. Eine der falschen Behauptungen über Kamala Harris ist, dass sie zum progressiven Flügel der Demokratischen Partei gehört. Die Leute schließen das aus ihrem kurzlebigen Präsidentschaftswahlkampf 2019, als sie glaubte, sie müsse nach links rücken, um Bernie Sanders und Elizabeth Warren auszustechen. In Wirklichkeit ist Harris eine moderate Demokratin. Nach dem Parteitag der Demokratischen Partei zu urteilen, bei dem friedenssuchende, gemäßigte Palästinenser*innen nicht einmal die Chance hatten, das Wort zu ergreifen, vermute ich, dass es in der Außenpolitik viel Kontinuität mit der Biden-Administration geben wird. Sie wird einerseits auf einen Waffenstillstand drängen (aber nicht zu sehr) und vor einer humanitären Krise warnen, gleichzeitig aber auch das israelische Militär weiter finanzieren und UN-Resolutionen mit ihrem Veto blockieren. Ich bezweifle, dass sie den politischen Willen oder das erforderliche politische Kapital haben wird, um sich gegen Netanjahu durchzusetzen, dem die Biden-Administration trotz zahlreicher Worte der Kritik weitgehend freie Hand gelassen hat – egal, wie extrem seine politische Koalition oder wie unpopulär er bei einem Großteil der israelischen Bevölkerung ist.

Außerdem ist noch nicht abzusehen, ob Harris überhaupt einen Waffenstillstand will, nachdem der Krieg auf den Libanon und möglicherweise sogar auf den Iran ausgeweitet wurde. Während der Gaza-Krieg von vielen Demokrat*innen als «interner» israelisch-palästinensischer Konflikt gewertet wurde, der kaum strategische Vorteile für die USA mit sich brachte, außer die Vereitelung ihres Plans, die Beziehungen zu Saudi-Arabien zu normalisieren, könnte ein Konflikt zwischen Iran und Israel eher als «Stellvertreterkrieg» im Rahmen eines breiteren kalten Krieges gesehen werden, der sich zwischen den USA und China sowie Russland abzeichnet. Berücksichtigen wir darüber hinaus noch die Tatsache, dass die anhaltenden Waffenlieferungen der USA an Israel (und den gesamten Nahen Osten) der amerikanischen Rüstungsindustrie Auftrieb geben, scheint es unwahrscheinlich, dass eine neu gewählte Präsidentin Harris ein Ende der Kämpfe fordern und durchsetzen wird.

Dies bringt mich zu meiner letzten Anmerkung, diein heikles Thema betrifft. Ein weiterer Grund, warum Harris wahrscheinlich wenig Veränderung in die Region bringen wird, ist der Einfluss wohlhabender jüdischer und nicht-jüdischer Spender*innen. Man kann die beträchtliche Macht der Israel-Lobby im Kapitol nicht ignorieren. Einer der Gründe, warum Netanjahu im Juli beschloss, den Geiseldeal zu stoppen, waren die dutzenden Standing Ovations, die er im US-Kongress erhielt. Diesen Besuch, der Netanjahu nur noch weiter gestärkt hat, hätte ihm der Mehrheitsführer des Senats, Chuck Schumer, der einige Monate zuvor Netanjahus Rücktritt gefordert hatte, sicher nicht gewährt, wenn nicht einflussreiche Geldgeber*innen und Lobbyist*innen erheblichen Druck ausgeübt hätten. Doch der Wunsch dieser wohlmeinenden jüdischen Unterstützer*innen für n, Israel könnte den gegenteiligen Effekt haben. Anstatt Netanjahu zu hofieren,sollten sie gegen ihn protestieren – wie es die meisten liberalen Israelis tun. Da Harris ihre Beziehungen zu den Parteieliten nicht aufs Spiel setzen will, bezweifle ich, dass sie als gemäßigte Politikerin daran interessiert ist, in dieser Angelegenheit Unruhe zu stiften – selbst wenn sie glaubt, dass es das Richtige wäre.

Aus dem Englischen von Gegensatz Translation Collective

Anmerkungen:

Sabra und Shatila sind die Namen zweier palästinensischer Flüchtlingslager im Libanon, in denen 1982 ein Massaker stattfand, bei dem viele Zivilisten von einer christlich-libanesischen Miliz getötet wurden, während das Gebiet von israelischen Streitkräften kontrolliert wurde.“ (Das Gebiet stand unter der Kontrolle der israelischen Armee, die den Zugang der Miliz zu den Lagern ermöglichte und später dafür international scharf kritisiert wurde, da sie das Massaker nicht verhinderte und teilweise sogar unterstützte). 

Autor:in

Eli Cook ist Dozent und Leiter des American Studies Program und der Abteilung für Allgemeine Geschichte an der Universität Haifa. Er ist Historiker für den amerikanischen Kapitalismus und Analyst für amerikanische Politik im israelischen Fernsehen und Radio.