Rechter Regenbogen
Drei rechte, zwei zentristische, zwei linke und eine konservative arabische Partei: Die neue israelische Regierung ist eine Einheit der Gegensätze. Ihr erstes Ziel, Benjamin Netanjahu zu entthronen, hat sie erreicht.
Ein Abgang wie bei Donald Trump ist Benjamin Netanjahu nicht geglückt – auch wenn er in seinen letzten Amtstagen alles versucht hat, seine Anhänger zu mobilisieren, um eine friedliche Machtübergabe zu verhindern. „Wir sind Zeugen des größten Wahlbetrugs in der Geschichte des Landes, meiner Meinung nach in der Geschichte jeder Demokratie“, polterte der 71-Jährige, als klar war, dass seine Kontrahenten eine Regierung ohne ihn zustande bringen. Die zur Amtsübergabe israelischer Ministerpräsidenten übliche offizielle Zeremonie sagte er kurzerhand ab und kündigte stattdessen an, sich auf einen „täglichen Kampf gegen diese gefährliche linke Regierung“ zu verlegen, um sie zu stürzen.
Der Ehrgeiz seines Nachfolgers Naftali Bennett, genau das zu verhindern, dürfte durch die haltlose Behauptung, er führe eine linke Regierung, eher angestachelt werden. Denn in entscheidenden Fragen steht der neue Premierminister rechts von seinem Vorgänger – und ist in gewisser Weise dessen Erbe: Verhandlungen mit der palästinensischen Seite lehnt der Vorsitzende der Partei Jamina (Nach rechts) kategorisch ab. Statt eines souveränen Staates der Palästinenser setzt er auf neue Siedlungen und die Annexion weiter Teile der Westbank. Dabei unterstützt wird Bennett von den beiden anderen rechten Parteien des Achterbündnisses, das er die kommenden beiden Jahre als Regierungschef führen soll, ehe ihn laut Koalitionsvertrag Außenminister Jair Lapid ablöst: von Finanzminister Avigdor Liebermans Yisrael Beitenu (Unser Zuhause Israel) und Tikva Hadasha (Neue Hoffnung) von Justizminister Gideon Saar.
Komplettiert wird die etwas andere israelische Regenbogenkoalition durch zwei zentristische Parteien: von Jesh Atid (Es gibt eine Zukunft) mit Jair Lapid und Kahol Lavan von Verteidigungsminister Benny Gantz. Lediglich sechs der 27 Minister des Kabinetts stellen die beiden linken Koalitionäre Meretz und Arbeitspartei.
Ideologisch eint die kuriose Koalition, die denkbar knapp mit 60 von 120 Knesset-Abgeordneten gewählt wurde, eigentlich nichts. Der Kitt, der sie zusammenhält, ist die Ablehnung Netanjahus, der das Land nach vier Wahlen in zwei Jahren an den Rand einer Staatskrise geführt hat. Dass ein Drittel der neuen Minister früher eng mit dem am längsten amtierenden Ministerpräsidenten seit der Staatsgründung 1948 zusammengearbeitet hat, zeigt, wie verstiegen dessen Vorwürfe sind, und lässt die Notwendigkeit erkennen, das Land von der Likud-Hegemonie zu befreien.
Sollte es Bennett und seinen Verbündeten in den kommenden Monaten gelingen, ein Gesetz zu verabschieden, das die Amtszeit eines Regierungschefs auf acht Jahre beschränkt, wäre die Ära des wegen Korruptionsvorwürfen angeklagten Netanjahu definitiv zu Ende. Die Chancen dafür stehen nicht schlecht, trotz vieler grundlegender Differenzen. Doch ist Bennett schon über seinen eigenen Schatten gesprungen, als er sich auf das Bündnis mit Mansur Abbas von der Raam-Partei einließ.
Der israelisch-arabische Politiker hielt sich während des Wahlkampfs mit Aussagen zur anhaltenden Besetzung der palästinensischen Gebiete zurück. Möglicherweise kann er gemeinsam mit Issawi Frej, dem Minister für regionale Kooperation, ein Scharnier bilden, das Israels neuem regionalen Alliierten, den Vereinigten Arabischen Emiraten, eine größere Rolle bei einer Verhandlungslösung einräumt. Es wäre für alle Seiten ein Gewinn.
Der Artikel erschien zuerst im Freitag.
Markus Bickel leitet das Büro der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Tel Aviv.
Autor:in
Markus Bickel leitete das Israel-Büro der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Tel Aviv zwischen 2020-2023.