Wider den Strom! Die Kommunistische Partei Israels (KPI) 1919-2009
Am 25. März 2009 organisierten das Israel-Büro der Rosa-Luxemburg-Stiftung, die Tel Aviv University und die Open University eine Konferenz zur Geschichte und Gegenwart der Kommunistischen Partei Israels (KPI). Besondere Aufmerksamkeit seitens der Konferenzteilnehmer fand im Foyer des Auditoriums eine Ausstellung historischer Plakate, die die Wirksamkeit der israelischen Kommunisten seit 1942 dokumentierten.
Im März 1919 fand in Palästina der Gründungskongress der Mifleget Poalim Sozialistijim (Sozialistische Arbeiterpartei) statt. Ihre Wurzeln hatte die Partei in der am Anfang des 20. Jahrhunderts in Osteuropa entstandenen Po‘ale-Zion-Bewegung, die– der Lehre Dov Ber Borochovs folgend – Marxismus und Zionismus zu verbinden suchte. Ihr linker Flügel bildete den Nukleus der Kommunistischen Partei Palästinas (PKP) bzw. Israels (KPI) – einer Partei, die heute zu den ältesten politischen Gruppierungen des Landes zählt. Ihr Vertreter, Meir Vilner, gehörte 1948 zu den Unterzeichnern der Unabhängigkeitserklärung und damit zu den „Gründervätern“ des Staates Israel. Die Kommunistische Partei Palästinas, später Israels durchlief eine widersprüchliche, durch politische Irrungen, innerparteiliche Spaltungen und hoffnungsvolle Vereinigungen geprägte Geschichte. Die Entwicklungen im Lande und in der Region – zunächst während der britischen Mandatsherrschaft, die der KP erst 1942 eine legale Tätigkeit gestattete, gefolgt 1947/48 durch den UN-Teilungsbeschluss, die Staatsgründung und durch die Verschärfung des jüdisch-arabischen Widerspruchs, jedoch auch durch den anhaltenden Nahostkonflikt, mehrere Kriege mit arabischen Staaten und palästinensische Aufstandsbewegungen nach 1987 - schufen die Rahmenbedingungen für das Wirken der israelischen Kommunisten. Bis zum Ende des Kalten Krieges bestimmten zudem die Widersprüche zwischen Sozialismus und Kapitalismus bzw. zwischen Internationalismus und Nationalismus, die Einbindung der KPI in die kommunistische Weltbewegung und die engen Beziehungen zu den Regierenden in den Staaten des „real existierenden Sozialismus“ die Ideologie und Politik der Partei.
Von den anderen israelischen Parteien unterschieden sich die Kommunisten vor allem durch ihre Ablehnung des Zionismus. Die Befürwortung der Oktoberrevolution 1917 bzw. der Sowjetmacht sowie der Entwicklungen in Osteuropa unmittelbar nach Ende des Zweiten Weltkriegs dagegen teilten sie bis Anfang der 1950er Jahre mit linkszionistischen Gruppierungen, wie dem Hashomer Hatzair und der MAPAM. Die gründliche Auseinandersetzung mit den Erfolgen und Rückschlägen der innerparteilichen Entwicklung bzw. die kritische Beleuchtung einzelner Aspekte des Parteilebens gehören unbestritten zum politischen Erfahrungsschatz der KPI, sind jedoch auch für andere Parteien von Interesse. Da sie teilweise noch ausstehen, seien sie in erster Linie den israelischen Kommunisten überlassen. Außenstehende sollten sich Zurückhaltung auferlegen, solange diese Aufarbeitung nicht geleistet ist.
Die neunzigjährige Geschichte der Kommunistischen Partei Israels enthält andererseits eine Reihe hervorhebenswerter Zielstellungen und Errungenschaften. Dazu gehören die Befürwortung eines konsequenten Internationalismus und die stete Auseinandersetzung mit Nationalismus, Diskriminierung Andersdenkender und Ausgrenzung unterprivilegierter nationaler bzw. sozialer Schichten. Mit Ausnahme kurzer Zeitabschnitte war die KP z.B. bemüht, die binationale Zusammensetzung ihrer Mitgliedschaft zur Grundlage des politischen Agierens zu machen. Sie war lange die einzige israelische Partei, die jüdische und arabische Mitglieder in ihren Reihen zählte, und trug damit wesentlich zur politischen Kultur Israels bei.Sowohl im Jischuv als auch im Staat Israel traten Kommunisten beharrlich für die sozialen Belange der palästinensischen wie auch der israelischen Werktätigen ein; sie nutzten und nutzen dafür nicht nur parlamentarische und gewerkschaftliche Gremien (z. B. die Histadrut), sondern erfolgreich auch zivilgesellschaftliche Organisationen und Bildungseinrichtungen.
Einen hohen Stellenwert in der Parteipolitik habenseit Staatsgründung das Eintreten für eine gerechte Lösung des Nahostkonflikts und insbesondere das Bestreben, die israelisch-palästinensische Konfrontation zu beenden. Die Formel „Israel und Palästina - Zwei Staaten für zwei Völker“, heute als zentrale Grundlage der Konfliktbearbeitung international wie auch in Israel anerkannt, wurde erstmals von der KPI Mitte der 1970er Jahre öffentlich gemacht und in der Folgezeit mit Nachdruck vertreten. Die KP-Mitglieder wirken seit Jahrzehnten in der israelischen Friedensbewegung mit; sie waren Initiatoren bzw. Mitorganisatoren vieler Antikriegskundgebungen. Als neues Element politischen und zivilgesellschaftlichen Engagements trat im letzten Jahrzehnt des 20. bzw.zu Beginn des 21. Jahrhunderts der Einsatz für denErhalt der natürlichen Umwelt gleichberechtigt an die Seite der anderen Forderungen der Partei-Agenda. Auf kommunalpolitischer Ebene, z. B. in der Bewegung „Ir le-kulanu“, aktiv in Tel Aviv-Jaffa, entsprach dem das Eintreten für eine höhere – insbesondere auch urbane– Lebensqualität, symbolisiert durch die Verbindung der politischen Farben „Rot“ und „Grün“. Im Gegensatz zu vielen anderen israelischen Parteien, deren Namen heute weitgehend aus dem politischen Gedächtnis der Nation verschwunden sind, zeichnete sich die KPI über sechs Jahrzehnte – ab 1977 im CHADASCH-Bündnis - durch eine stabile Präsenz in der Knesset aus (jeweils 3-6 Abgeordnete). Bis 1992 standen an der Spitze der Partei stets ein jüdischer und ein arabischer Kommunist.
Die Konferenz vom 25. März 2009 wies nach, dass die Erforschung der kommunistischen Bewegungin Israel ein legitimes wissenschaftliches Anliegen darstellt. Die inhaltsvollen Referate, die zupackenden, z. T. kontroversen Diskussionen und die historische Posterausstellung belegten das Erfordernis, sich mit allen Entwicklungslinien der israelischen Geschichte – auch mit deren linken Facetten – sachlich und kritisch auseinanderzusetzen. Besonderer Dank für den Anstoß und den erfolgreichen Verlauf der Veranstaltung gebührt den Professoren Anita Shapira und Yoav Peled von der Universität Tel Aviv, Dr. Ilana Kaufman von der Open University und der langjährigen Knessetabgeordneten Tamar Gozansky.
Aus dem Vorwort Dr. Angelika Timms, erste Leiterin des Israel-Büros der Rosa-Luxemburg-Stiftung
Wider den Strom! Die Kommunistische Partei Israels (KPI) 1919-2009. Artikel und Plakate
Angelika Timm und Tamar Gozansky (Hg.), Tel Aviv 2009 (Hebräisch); Zeittafel und Kurzfassung der Beiträge auch in deutscher und englischer Sprache
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