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Ausgerechnet Jerusalem

Die derzeitige Welle der Gewalt, die in Jerusalem begonnen hat und sich im ganzen Land auszubreiten droht, hat mehrere Gründe, von denen einige tief in der Geschichte und in Identitätsfragen verwurzelt sind und andere mit dem Hier und Jetzt zusammenhängen. Die tiefgehenden Gründe für den Ausbruch der Gewalt hängen mit der einfachen Tatsache zusammen, dass Jerusalem das Zentrum des israelisch-palästinensischen Konflikts bildet. Es ist das Symbol für die Rückkehr der Juden und Jüdinnen in ihr Land, „Zion“ im Zionismus.

Zugleich ist al-Quds (Jerusalem) das lebendige Herz der palästinensischen nationalen Identität, der Ort, an dem sich die al-Aqsa-Moschee befindet. Jerusalem und die al-Aqsa-Moschee sind die bedeutendsten Symbole, die Palästinenser*innen im Gazastreifen, in der Westbank, im Negev, in Galiläa und in den gemischten israelischen Städten mit der palästinensischen Diaspora und sogar mit Teilen der arabischen und muslimischen Welt vereinen können. Auf die fundamentalste, aber einfachsten Weise symbolisieren al-Quds und die al-Aqsa-Moschee die Existenz des palästinensischen Volkes. Nur auf dieser Grundlage kann man die Ereignisse wirklich verstehen. Diese symbolische Bedeutung von Jerusalem für jüdische Israelis und für Palästinenser*innen macht es zu mehr als „irgendeinem Ort“. Jerusalem ist der Ort, an dem über hundert Jahre hinweg politische Gewalt, wie nach einer festen Formel, ausgebrochen ist.

Die unmittelbareren Gründe für den gegenwärtigen Ausbruch von Gewalt in Jerusalem hängen mit geopolitischen Entwicklungen des 21. Jahrhunderts zusammen, die wiederum Auswirkungen der spezifischen Situation sind, die nach der Zweiten Intifada in Ost-Jerusalem geschaffen wurde. Diese Entwicklungen stehen im Zusammenhang mit der israelischen Sperranlage, der großen Ungleichheit in den in Ost-Jerusalem zur Verfügung stehenden Infrastrukturen, die viele Lebensbereiche betreffen (Planung, Bauen, Bildung, medizinische Versorgung, Sozialleistungen und anderes), im Vergleich zu den westlichen Teilen der Stadt, die Aktivitäten der Siedlerorganisationen zur „Judaisierung“ der arabischen Viertel, die Unterdrückung der palästinensischen Gesellschaft und ihrer politischen Führung sowie natürlich der Tempelerg/die al-Aqsa-Moschee und die Zersetzung des Status quo dort.

Die meiste Zeit ein ruhiger Ort

Dem Titel dieses Artikels liegt die Annahme zugrunde, dass Jerusalem ein Pulverfass ist, das darauf wartet zu explodieren. Somit wäre nur noch der Zeitpunkt zu klären. Diese Annahme übersieht jedoch die Grundursachen der Gewalt in Jerusalem. Die richtigere Frage ist: Wie kommt es, dass es in Jerusalem, einer Stadt mit solch extremen nationalen, religiösen und ethnischen Spannungen und Gegensätzen, die meiste Zeit ruhig ist? Statistisch gesehen ist Jerusalem die meiste Zeit eine der sichersten Städte der Welt. Jerusalem hat einen 1.400 Jahre alten Mechanismus (seit der Ankunft von Muslim*innen im 7. Jahrhundert ist Jerusalem eine Stadt mit drei Religionen), der es ermöglicht, ethnische und religiöse Vielfalt einzuschließen, ohne auf Gewalt zurückzugreifen.

In den vergangenen hundert Jahren, seit dem Aufkommen des zionistischen und palästinensischen Nationalismus, hat sich in Jerusalem ein klares Muster herausgebildet. In einer Situation anhaltender Spannungen und fehlender Perspektiven kann schon jeder zufällige, fast alltägliche Vorfall an einem heiligen Ort zu einer heiligen Zeit zu einem Ausbruch politischer, nationaler, religiöser und ethnischer Gewalt führen. Solche Gewalt kann sich potentiell von Jerusalem aus auf das ganze Land ausbreiten und zu einem Ereignis von nationaler und historischer Bedeutung werden. Wenn der althergebrachte Mechanismus Jerusalems nicht greift, kann nach dieser Formel ein temporärer Zaun am Damaskus-Tor (Bab al-Amud) der Altstadt zu Beginn des Ramadans zu Raketenbeschuss aus dem Gazastreifen am Ende des Fastenmonats führen.[1]

Angriff auf einen symbolischen Ort

Offensichtlich war der Zaun am Bab al-Amud nur ein Auslöser für ein tieferliegendes Problem. Ost-Jerusalem ist nach Ansicht seiner palästinensischen Einwohner*innen besetztes Gebiet und die israelische Polizei in der Stadt ist für sie eine Besatzungsmacht. Auch für die israelische Polizei sind die Palästinenser*innen keine Zivilist*innen, denen sie dienen soll, sondern Feinde, die es in Zaun zu halten, abzuschrecken und zu bekämpfen gilt. Bab al-Amud ist das Symbol von al-Quds und der Haupteingang zur al-Aqsa-Moschee. Es ist der zentrale Knotenpunkt für alle Muslim*innen, die aus Israel, Jerusalem und der Westbank nach Jerusalem kommen. Dorthin fahren die öffentlichen Verkehrsmittel; dort beginnt der arabische Markt, und als die Menschen im späten 19.Jahrhundert begannen, sich außerhalb der Mauern der Altstadt anzusiedeln, entstand von hier aus das arabische Jerusalem. Wie der Kommandeur der israelischen Armee in Zentralisrael, Uzi Narkiss, bereits im Jahr 1967 feststellte, spiegeln die Stadtteile um das Damaskus-Tor herum Ost-Jerusalem wider.

Darüber hinaus ist der öffentliche Raum, insbesondere der symbolische wie die al-Aqsa-Moschee und der Platz an Bab al-Amud, für junge Palästinenser*innen, die in der Altstadt oder in deren Nähe leben, eine Fortsetzung sowohl ihres privaten Raums als auch des kollektiv palästinensischen. Eine Verletzung dieses symbolischen Raums wird von jungen Palästinenser*innen in Ost-Jerusalem als Angriff sowohl auf ihr eigenes Zuhause als auch auf die kollektive Identität von Jerusalem, von Palästinenser*innen, Araber*innen und Muslim*innen gesehen. Ähnlich wie im Fall der Metalldetektoren, die die israelische Polizei im Jahr 2017 an den Zugängen zum Tempelberg installiert hatte,[2] oder wie im Fall der Trennwand, die Juden am Jom Kippur im Jahr 1928 in der Gasse vor der Klagemauer errichtet hatten,[3] ist daher der wahre Grund für den Konflikt nicht wirklich die Platzierung dieses oder jenes Objekts, sondern die Symbolik dahinter: Wem gehören die heiligen Stätten? Der Besitz dieser Stätten symbolisiert den Besitz des Ethos, der historischen Wahrheit und der Zugehörigkeit. Wer hat das Recht zu bestimmen, wie der öffentliche und symbolische Raum in dieser Stadt aussehen wird? Kurzum: Wem gehört die Stadt?

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Israelische Polizei bei der Festnahme eines Palästinensers am Damaskustor vor der Altstadt, Ost-Jerusalem, April 2021. Foto: Activestills

Die Polizei greift durch

Ein weiterer Aspekt, der einen entscheidenden Beitrag zum Ausbruch von Gewalt in Jerusalem zum gegenwärtigen Zeitpunkt geleistet hat, ist das Verhalten der Polizei. Die Polizei ist das Hauptausdrucksmittel des israelischen Verlangens nach Souveränität in Ost-Jerusalem geworden. Manchmal macht die Polizei dies mit Sensibilität, aber meistens geht sie dabei entsprechend der institutionellen DNA einer Organisation, die auf Gewaltanwendung vertraut, ihre Stärke zur Schau stellend aggressiv und gewalttätig vor. Die Polizeipräsenz in Ost-Jerusalem ähnelt eher dem Verhalten der israelischen Armee in den besetzten Gebieten als der israelischen Polizei in West-Jerusalem. Die Polizei und andere israelische Sicherheitskräfte spielen eine übermäßig große Rolle im Leben der Palästinenser*innen in der Stadt, und die massive Polizeipräsenz am Bab al-Amud in den letzten Jahren ist zum zentralen Symbol für Polizeigewalt gegen Palästinenser*innen in der Stadt geworden.

Nachdem auf israelische Anordnung hin die Lautsprecher der al-Aqsa-Moschee am ersten Tag von Ramadan schweigen mussten (damit die Zeremonie zum israelischen Gedenktag an die Gefallenen, die an der Klagemauer stattfand, nicht gestört wurde), wurden die israelischen Maßnahmen, um zu verhindern, dass sich Palästinenser*innen am Bab al-Amud während des Ramadans treffen, wohl mit Recht als ein weiterer israelischer Versuch gesehen, die palästinensische Präsenz im öffentlichen Raum in Jerusalem zu beschränken oder sogar ganz daraus zu verdrängen. Daher bestanden junge Palästinenser*innen darauf, am Bab al-Amud zusammenzukommen. Die unverhältnismäßig gewalttätige Reaktion der israelischen Polizei darauf war der Auftakt zu den gewaltsamen Zusammenstößen zwischen den jungen Palästinenser*innen und der Polizei. Nachdem der Stein am Damaskus-Tor ins Rollen gekommen war, war es ein kurzer Weg hin zu interkommunaler Gewalt im ganzen Land und Raketenbeschuss aus dem Gazastreifen.[4]

Jede Generation hat ihre eigene Intifada

Viele Kommentator*innen haben die generationenübergreifende Aktivität und prominente Rolle junger Palästinenser*innen bei den Ereignissen hervorgehoben. Fast überall, wo diese Art von Unterdrückung stattfindet, sind es junge Männer und Frauen, die sich entgegen aller Wahrscheinlichkeit zur Rebellion erheben. Das gilt auch für die palästinensische Bevölkerung, die besonders jung ist: Jede Generation hat ihre eigene Intifada. Die Generation der heutigen jungen Männer und Frauen in Ost-Jerusalem wurde in die Situation des 21. Jahrhunderts hineingeboren. Auch wenn ihre Eltern, die die Erste und Zweite Intifada erlebt haben, bereit sind, sich mit den Trends zur Integration, die mitunter als „Israelisierung“ bezeichnet werden, abzufinden, sind für die jungen Palästinenser*innen in Ost-Jerusalem die Trennung von der Westbank und die Entfremdung von Israel, bei gleichzeitiger Anbindung an West-Jerusalem, der gegebene Zustand, in den sie hineingeboren wurden. Sie geben sich nicht damit zufrieden, dass ihre Situation „besser“ ist als die der Palästinenser*innen in der Westbank (und auch das ist fraglich). Sie schauen auf West-Jerusalem und sehen die Diskriminierung und Unterdrückung, die sie erleiden.

Die Mobilisierung der jungen Palästinenser*innen in Jerusalem erfolgte spontan von unten, entgegen den Erwartungen der israelischen Sicherheitskräfte, die gewohnheitsmäßig dem Missverständnis unterliegen, dass Aktionen von oben orchestriert werden. Es war nicht die Hamas, noch die Palästinensische Autonomiebehörde oder externe Faktoren; sondern die jungen Palästinenser*innen in Ost-Jerusalem haben selbst die Ereignisse in Gang gesetzt. Sie bilden ein Kollektiv mit einem unabhängigen Bewusstsein und der Fähigkeit Dinge zu bewegen, - dies lässt sich mit dem englischen soziologischen Begriff „agency“ bezeichnen. Die palästinensische Öffentlichkeit in Ost-Jerusalem erweist sich als dynamisch und vital. Sie hat die beeindruckende Fähigkeit, als Kollektiv zu überleben und sich selbst unter den schwierigen Bedingungen, die Israel diktiert, neu zu erfinden. Mit ihren Protesten, die größtenteils gewaltlos sind, und ihrer Bereitschaft, sich der israelischen Polizei entgegenzustellen, ist es den Palästinenser*innen hier zum Beispiel wiederholt gelungen, israelische Interessen und Politik in Ost-Jerusalem zu durchkreuzen. Das wird so bleiben, solange die Palästinensische Autonomiebehörde oder die Hamas sich nicht einmischen und solange sie es schaffen zu verhindern, dass die Konfrontation in Gewalt übergeht.

Weil Ruhe ein Morast ist

Was verursacht nun eigentlich den Konflikt in Jerusalem? Wenn wir versuchen, die Situation mit den Augen junger Palästinenser*innen in Ost-Jerusalem zusehen, ist zu fragen: Warum nicht? Welche Wahl hat Israel jungen Palästinenser*innen in Jerusalem gelassen? Sie sind eingesperrt, mit dem Rücken die Wand gedrängt, zwischen der Sperranlage und einer temporären Aufenthaltsgenehmigung, zwischen Abrissen von Häusern und den Siedlerorganisationen, während der Status quo in der al-Aqsa-Moschee ausgehöhlt wird. Durch die Absperrungen am Bab al-Amud wurde ihnen sogar das Vergnügen der Ramadan-Nächte genommen. Also gehen sie zu legitimen gewaltfreien zivilen Protestdemonstrationen auf die Straße. Wenn ein solcher Protest auf völlig unverhältnismäßige Polizeigewalt stößt, kann aus solch einem zivilen Protest leicht eine gewalttätige Intifada werden. In diesem Stadium sind alle auf den fahrenden Zug gesprungen, Hamas und die Palästinensische Autonomiebehörde, der Likud und Benjamin Netanjahu, der alles tut, um seinem Gerichtsverfahren zu entkommen.

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Palästinensische Aktivist:innen beim Fastenbrechen in Solidarität mit den von Räumungen bedrohten Bewohner:innen in Sheikh Jarrah, Ost-Jerusalem, Mai 2021. Foto: Activestills.

Zurück zur Sicht der jungen Palästinenser*innen in Jerusalem: Sie betrachten die Situation and verstehen, dass ihre kollektive Existenz auf jeden Fall mit Füßen getreten wird, und dass sie gewiss Einwohner*innen zweiter Klasse in ihrer Heimatstadt bleiben werden. Warum sollten sie nicht protestieren und sich erheben? Wenn ich eh ins Verderben gestoßen werde, werde ich wenigstens mit erhobenem Kopfe dorthin gehen und um meine Ehre kämpfen. Diese Einsicht spiegelt sich auch in den Worten einer der Väter des Zionismus, Aharon David Gordon, aus dem Jahr 1918 wider: „Es ist heute üblich zu sagen, dass es kein Recht zum Erwerb von Land gäbe, es sei denn mit Blut. Das ist eine der Sophistereien, die ihnen ein Bürgerrecht unter allen Völkern verschafft, wonach die konventionelle Gerechtigkeit ihnen erlaubt, Raubtiere zu sein – eine vereinbarte Lüge. Mit Blut und Feuer wird die Freiheit des einheimischen Volks geplündert und das Volk zusammen mit dem Land zu einer vorübergehenden Knechtschaft versklavt, solange die Macht des Sklavenhalters nicht nachlässt; aber praktisch bleibt das Land in den Händen deren, die auf ihm leben und es bearbeiten.“ Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, warum die israelisch-jüdische Öffentlichkeit erst jetzt, wenn Jerusalem ausgerechnet am Feiertag brennt, aufwacht und daran denkt, die schwierigen Fragen zur Lebenssituation in der Stadt zu stellen. Vielleicht ist die offensichtliche Schlussfolgerung, dass jüdische Israelis, so stark sie jederzeit und überall auch sind, nur Gewalt verstehen.

In diesem Land leben zwei Völker, und sie teilen sich Jerusalem. Und wie in jeder Nation sind junge Palästinenser*innen wütend, wenn ihre fundamentalen Symbole angegriffen werden. Und von Zeit zu Zeit, wenn alle widrigen Faktoren zusammenkommen, kann ein punktuelles Ereignis zum Auslöser für eine friedliche oder gewalttätige Protestbewegung werden, und manchmal wird aus den Wogen eine große Welle.

Die einzige Lösung, die langfristig ein Leben in Sicherheit und Frieden ermöglicht, ist natürlich die Koexistenz von allen, auf der Grundlage von gegenseitigem Respekt und rechtlicher und politischer Gleichheit in Jerusalem und im ganzen Land.

Übersetzt von Ursula Wokoeck Wollin

Eran Tzidkiyahu ist Doktorand am Institut für Politikwissenschaften in Paris (Sciences-Po). Er erforscht religiösen Nationalismus im israelisch-palästinensischen Konflikt in einer vergleichenden Perspektive, mit Fokus auf heilige Stätten. Derzeit arbeitet er als Guide, Dozent und unabhängiger Berater zu geopolitischen Fragen. Er ist in der Zivilgesellschaft in Jerusalem aktiv und war an der Gründung – und heute als Vorstandsmitglied – einer Reihe von Organisationen beteiligt, die sich mit jüdisch-arabischen Beziehungen in der Stadt befassen.

Der ursprünglich auf Hebräisch geschriebene Artikel wurde am 11. Mai 2021 auf der Webseite des Forum for Regional Thinking veröffentlicht.

Weiterführende Links

Anmerkungen

[1] Am Anfang von Ramadan, Mitte April 2021, sperrte die israelische Polizei mit Zäunen den Platz vor dem Damaskus-Tor ab, wo sich Muslim*innen am Abend nach dem Fastenbrechen zu treffen pflegen, und errichtete Checkpoints, an denen alle, die in die Altstadt wollten, kontrolliert wurden. Darüber hinaus begrenzte die Polizei die Anzahl der zum Gebet in der al-Aqsa-Moschee zugelassenen Muslim*innen auf 10,000 Menschen, obwohl sich dort in der Regel während des Ramadans 80,000 Menschen einfinden. Daraufhin kam es zu Protesten der palästinensischen Bevölkerung vor dem Damaskus-Tor, gegen die die Polizei hart vorging. Die Zusammenstöße wurden zunehmend gewalttätig, insbesondere seit dem 23. April, als die palästinensischen Demonstrant*innen von Schlägergruppen jüdischer Siedler*innen mit Unterstützung der Polizei angegriffen wurden. (Anm. d. Red.)

[2] Die Tempelberg-Unruhen im Juli 2017 waren Zusammenstöße zwischen Palästinenser*innen aus Ost-Jerusalem und israelischen Sicherheitskräften. Sie begannen mit einem Schusswaffenanschlag auf dem Tempelberg am 14. Juli 2017. In bis dahin beispielloser Weise schloss die israelische Polizei nach dem Anschlag das Gelände des Tempelbergs auch für Muslim*innen (freitags dürfen Juden und Jüdinnen das Gelände sowieso nicht betreten) und verhinderte die Freitagsgebete dort. Zwei Tage später öffnete die israelische Polizei das Gelände wieder für Muslim*innen; allerdings wurden an allen Eingängen Metalldetektoren platziert. Dies provozierte Proteste in der muslimischen Öffentlichkeit und in Reaktion darauf begannen Palästinenser*innen aus Ost-Jerusalem mit Protestdemonstrationen, auch gewaltsamen, und es kam zu Zusammenstößen mit der israelischen Polizei.

[3] Am 23. September 1928, am Vorabend von Jom Kippur, platzierten Juden einen Vorhang in der Gasse vor der Klagemauer, um Männer und Frauen zu trennen, was nach osmanischen Recht nicht gestattet war. Die arabische Bevölkerung sah dies als jüdische Provokation und als deren Versuch, sich des Tempelbergs zu bemächtigen. Infolgedessen kam es im ganzen Land zu gewalttätigen Unruhen.

[4] Vor dem Hintergrund der anhaltenden gewaltsamen Zusammenstöße in und um die Altstadt stürmte die israelische Polizei die al-Aqsa-Moschee am letzten Freitag von Ramadan, am 7. Mai, und ging mit großer Brutalität gegen die dort betenden Muslim*innen vor. Video-Aufnahmen der Ereignisse gingen um die ganze Welt und führten zu internationaler Verurteilung. Auch nahm die Gewalt auf Seiten auf der palästinensischen Protestierenden zu, was zu weiteren israelischen Repressionen führte. Diese gewalttätigen Auseinandersetzungen prägten auch Lailat al-Qadr, am 8. Mai, der heiligsten Nacht für Muslim*innen, in der nach der Überlieferung die Offenbarung des Korans begann und der Himmel sich für die Bitten von Muslim*innen an Gott öffnet. (Anm. d.Red.)