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Die Beziehungen zwischen den USA und Israel: Wedelt der Schwanz mit dem Hund?

Nur wenige Länder pflegen eine solch enge Partnerschaft wie Israel und die USA. Die Ursachen für diese besondere Beziehung sind vielfältig.

Anmerkung zum Titel[1]

Nur wenige Länder pflegen eine so enge Beziehung wie Israel und die USA. Israel ist weltweit der größte Empfänger von Finanzhilfen aus den USA – etwa 121 Milliarden US-Dollar seit 1948 –, gleichzeitig stammen rund 95 Prozent der von Israel importierten Waffen aus den Vereinigten Staaten.[2] Die US-amerikanische Regierung und der Kongress halten ihre schützende Hand über Israel und verhindern jegliche Opposition, die sich aktiv gegen die 50 Jahre andauernde Besatzung der Westbank, von Ost-Jerusalem und Gaza (zusammen mit den Golan-Höhen) wendet. Die USA haben im UN-Sicherheitsrat (bislang) 42 Mal ihr Veto gegen Resolutionen eingelegt, die das israelische Vorgehen kritisierten, was mehr als der Hälfte aller von den USA eingelegten Vetos entspricht. Manche würden sogar anführen, de facto sei Israel der 51. Bundesstaat der USA (ein Status, den Israel nicht wollen würde, so die Fortsetzung des Scherzes, weil es dann nur noch zwei Senator*innen hätte). In seiner Rede vor der UN-Generalversammlung im Jahr 2015 merkte Premierminister Benjamin Netanjahu (von der Likud-Partei) dazu an: „Eines vergessen wir in Israel nie. Wir vergessen niemals, dass der wichtigste Partner Israels stets die Vereinigten Staaten von Amerika gewesen sind und es auch immer sein werden. Das Bündnis zwischen Israel und den USA ist unzerstörbar.“

Das Vertrauen Israels in die Schutzmacht USA geht auf einen Grundsatz seiner nationalen Sicherheitsdoktrin aus dem letzten Jahrhundert zurück: Da Israel starke antikoloniale Gefühle bei seinen Nachbar*innen hervorruft und deshalb umfassender militärischer Stärke zur Sicherung der eigenen Existenz bedarf, hat es stets besondere Beziehungen zu einer Supermacht gepflegt; seit 1967 sind dies die Vereinigten Staaten. Das war jedoch nicht immer so. Die USA waren zunächst dem Zionismus gegenüber überaus kritisch eingestellt. Im Jahr 1919 sandte US-Präsident Woodrow Wilson, der nach dem Ersten Weltkrieg für eine Verbreitung des Konzepts des Selbstbestimmungsrechts der Völker gesorgt hatte, die King-Crane-Kommission nach Palästina, um festzustellen, welches politische System die Bevölkerung dieses Landes anstrebt. Nach ihrer Rückkehr berichtete diese, dass sich 90 Prozent der Menschen in Palästina eine palästinensisch-arabische Regierung wünschten. Dennoch nahmen Kongress und Regierung eine eher ambivalente Haltung ein: Einerseits nahmen die USA die Balfour-Deklaration an, die sich dafür einsetzte, dass in Palästina eine „nationale Heimstätte für das jüdische Volk“ errichten werden soll, andererseits wollten sie den Zionismus per se nicht offiziell unterstützen.

Angesichts der wachsenden Bedeutung der USA in der Weltpolitik und des beträchtlichen Einflusses ihrer großen jüdischen Bevölkerung wurde das Land zu einem wichtigen Betätigungsfeld zionistischer Politik. Der Zionistische Kongress berief 1942 die Biltmore-Konferenz ein, auf der zum ersten Mal der klare Aufruf zur Gründung eines jüdischen Staates in Palästina formuliert wurde. Eine Resolution des Kongresses zur Unterstützung der zionistischen Bestrebungen scheiterte lediglich am Widerstand des US-Außenministeriums, das berechtigte Sorgen hatte, die arabische Welt vor den Kopf zu stoßen. Angesichts der zunehmenden Bedeutung des Kalten Krieges sprachen sich das Außen- und das Verteidigungsministerium 1948 gegen die Anerkennung des Staates Israel aus. Doch am Ende waren es die Sympathien des demokratischen Präsidenten Harry S. Truman für die jüdische Sache, insbesondere vor dem Hintergrund des Holocausts, die dafür ausschlaggebend waren, dass er sich gegen seine Berater*innen durchsetzte. Am 14. Mai 1948, direkt nach der Abstimmung in der UNO, bei der die Teilung Palästinas in einen jüdischen und einen arabischen Staat beschlossen wurde, und nach der Unabhängigkeitserklärung des Staates Israel durch David Ben-Gurion waren die Vereinigten Staaten das erste Land, das Israel förmlich anerkannte.

Dass die USA dennoch an einer relativ distanzierten Haltung Israel gegenüber festhielten, ist auf ihre Sorge zurückzuführen, die arabische und muslimische Welt allzu sehr zu verstimmen, insbesondere angesichts der Tatsache, dass die Sowjetunion versuchte, in der Türkei und im Iran an Einfluss zu gewinnen. Nach der Staatsgründung war es Frankreich, das zur Schutzmacht Israels wurde. Diese besondere Beziehung ermöglichte Israel bereits zu Beginn der 1950er Jahre den Aufstieg zur Militärmacht. Frankreich belieferte Israel mit modernen Waffen – einschließlich Düsenjägern vom Typ Mystère IV und Super-Sherman-Panzern – und erlaubte, was ebenso wichtig war, den Transfer von Waffentechnologie, die zum Teil noch heute zum Einsatz kommt (in der Tat rührt der von Frankreich ermöglichte Aufstieg Israels zur Atommacht aus dieser Zeit, trotz der vehementen Kritik der USA). Um das Jahr 1956 wurde Israel als militärische Macht bereits so ernst genommen, dass sich das Land an dem Angriff auf Ägypten an der Seite von Großbritannien und Frankreich beteiligte, seinem ersten konventionellen Krieg.

Während der 1950er Jahre unterhielten die USA zwar förmliche, aber weiterhin relativ distanzierte Beziehungen zu Israel. Trotz des Interesses am Erdöl wollten weder US-amerikanische Konzerne noch das Außenministerium, dass sich die Vereinigten Staaten auf die Seite Israels schlagen und gegen die arabische Welt stellen. Im Kontext des Kalten Krieges tauchte angesichts der sozialistischen Ausrichtung des israelischen Staates und dessen Nähe zur Sowjetunion sogar die Frage auf, ob Israel vielleicht ein sowjetischer Satellitenstaat werden könnte! Erst beim Besuch des US-Außenministers John Foster Dulles in Israel im Jahr 1953 machte der israelische Premierminister Ben-Gurion (Mapai) deutlich, dass Israel eine westliche Bastion im Nahen Osten sein würde. Tatsächlich verstand sich Israel als Teil des Westens und nicht des Sowjetblocks und noch weniger als Teil des sowjetorientierten Nahen Ostens. Trotzdem blieb das Verhältnis zu Israel während der 1950er Jahre kühl und führte im Rahmen des Sinai-Feldzugs sogar zu einer Konfrontation, als der damalige republikanische Präsident Dwight D. Eisenhower forderte, Israel solle sich unverzüglich aus dem Sinai zurückziehen, wenn es nicht Gefahr laufen wolle, die US-Finanzhilfen zu verlieren oder gar einen Abbruch der diplomatischen Beziehungen zu provozieren. Dieses Ultimatum wurde von der Sowjetunion unterstützt, die wiederum fürchtete, Israel könnte ihr eigenes Vorpreschen in Ägypten untergraben. Israel kam dem unverzüglich nach.

Einen Durchbruch erlebten die US-amerikanisch-israelischen Beziehungen erst 1962, als die demokratische Kennedy-Regierung Flugabwehrraketen an Israel verkaufte. Hintergrund dieser Entscheidung, die einen Wendepunkt in den sich in den Folgejahren immer weiter vertiefenden Beziehungen zwischen den USA und Israel darstellen sollte, war eine komplexe Gemengelage.[3] Auf der einen Seite spielten innenpolitische Fragen eine Rolle, da Halbzeitwahlen beim US-Kongress anstanden und Kennedy die Unterstützung der jüdischen Gemeinde in den USA und ihrer Führungspersönlichkeiten benötigte. Auf der anderen Seite stand eine zunehmende Anerkennung der militärischen Stärke Israels und seines Potenzials als Gegengewicht zu den sowjetischen Vorstößen im Nahen Osten. Eine weitere Erwägung war das langjährige Interesse Kennedys daran, die Frage der palästinensischen Flüchtlinge zu lösen, und er ging davon aus, die Waffenverkäufe mit einer Aufweichung der Positionen Israels verknüpfen zu können – ein misslungenes Quidproquo, das sich in den kommenden Jahrzehnten unzählige Male wiederholen sollte.

Der Verkauf von Hawk-Raketen, dem bald die Lieferung von 210 Patton-Panzern und 100 Skyhawk-Kampfflugzeugen folgte,[4] ebnete den Weg der anschließenden Regierung unter Lyndon B. Johnson, sich politisch gänzlich (wenn auch nicht bedingungslos) auf die Seite Israels zu stellen. Das geschah nicht zuletzt vor dem Hintergrund des deutlichen Sieges Israels im Krieg von 1967, im Zuge dessen die USA Frankreich als Schutzmacht Israels ablösten. Diese Entwicklung markierte auch einen Wendepunkt in den Beziehungen der Vereinigten Staaten zur arabischen und muslimischen Welt – von einem gleichberechtigten Partner zu einem Objekt des Misstrauens, wenn nicht gar offener Feindseligkeit.

Die USA und Israel betrachteten sich ab diesem Zeitpunkt als „strategische Partner“. Israel schickte Sowjet-Waffen und -Technologie in den Westen, die es im Zuge der Konflikte mit den von den Sowjets unterstützten Regimen in arabischen und muslimischen Ländern erbeutet hatte. Im Gegenzug verkaufte die Johnson-Regierung Phantom-Jets an Israel und sicherte ihm gleichzeitig einen militärtaktischen Vorsprung (QME, qualitative military edge) gegenüber seinen Nachbarn zu. Das Naval Vessel Transfer Act von 2008 definiert dieses Konzept als „die Fähigkeit [Israels], jeder ernst zu nehmenden militärischen Bedrohung durch einen einzelnen Staat oder eine mögliche Koalition nicht staatlicher Akteure entgegenzutreten und sie bei minimalen Schäden und Verlusten durch die Anwendung überlegener militärischer Mittel, über die es in ausreichender Menge verfügt, abzuwenden. Zu diesen Mitteln gehören Waffen […], die durch ihre technischen Merkmalen denen der einzelnen Staaten oder möglichen Koalitionen nicht staatlicher Akteure überlegen sind“. Bei jedem geplanten Waffenverkauf an ein Land im Nahen Osten „außer Israel“ muss zunächst sichergestellt werden, dass der Verkauf oder Export dieser Verteidigungsmittel oder -dienste den israelischen QME nicht beeinträchtigen wird.

Der Krieg von 1973 schwächte den Einfluss der Sowjetunion auf Ägypten und Syrien weiter und stärkte die Stellung Israels als führender Militärmacht im Nahen Osten. Ebenfalls Mitte der 1970er Jahre errang der Amerikanisch-israelische Ausschuss für öffentliche Angelegenheiten (AIPAC) an Einfluss (sorgsam darauf bedacht, sich nicht als PAC, d. h. als Political Action Committee, zu definieren, was die Organisation entweder zu einer ausländischen Lobbygruppe oder zu einer parteilichen politischen Einrichtung gemacht hätte). AIPAC vertritt ein Bündnis von jüdischen Organisationen und israelischen Entscheidungsträger*innen aus dem Mainstream, das auch die Lobbyarbeit für Israel bei evangelikalen Christ*innen und anderen „israelfreundlichen“ Kräften koordiniert. Es besteht keine Einigkeit darüber, welchen Einfluss AIPAC tatsächlich ausübt. Seine Fähigkeit, den Kongress dazu zu bringen, israelfreundliche Maßnahmen zu beschließen, hat jedoch mehr mit seiner wirksamen Einmischung in den Kongresswahlkampf zu tun, im Zuge dessen jenen Kandidat*innen deutliche finanzielle und politische Unterstützung zugesagt wird, die bereit sind, der AIPAC-Linie zu folgen, als mit dem Ausmaß, in dem die Kongressabgeordneten tatsächlich Israel unterstützen.

Unabhängig davon ist die US-Hilfe für Israel beachtlich, nicht nur in Bezug auf ihren Umfang, sondern auch im Hinblick auf das Fehlen von Gegenleistungen. Die Nixon-Regierung und Israel unterzeichneten mit dem „Master Defense Development Data Exchange Agreement“ eine Übereinkunft, die den größten Transfer US-amerikanischer Technologie an irgendein Land in der Geschichte darstellt. Ein gigantisches Geschenk US-amerikanischer Waffentechnologie, zu dem mehr als 120 technische Datenpakete zählten sowie ein umfassendes Bündel an Skizzen, Plänen und Materialtypen, die für die tatsächliche Waffenfertigung erforderlich sind. Dieser Transfer von Militärtechnologien sorgte für einen Aufschwung der israelischen Wirtschaft, stärkte das politische Gewicht Israels und führte schließlich zur Entwicklung einer eigenen hochentwickelten Rüstungsbranche.

Nach dem Sturz des Schah-Regimes im Iran 1979, der einen Verlust für die beiden bis dahin engsten Verbündeten des Iran, die Vereinigten Staaten und Israel, darstellte, unterzeichnete die Carter-Regierung ein weiteres Vertragsmemorandum. Dieses Mal erhielt Israel erweiterte Möglichkeiten, mit US-Konzernen um Rüstungsaufträge über mehr als 500 Posten zu konkurrieren, darunter Bomben und Granaten sowie elektrische Komponenten und Bauteile für den Bau von Flugzeugen und Panzern. Ein weiteres Vertragsmemorandum folgte 1981. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich Israel von einem technologisch rückständigen Importeur einfacher Waffensysteme zum siebtgrößten Exporteur von Militärtechnik weltweit gewandelt, mit Überseeverkäufen im Wert von 1,3 Milliarden US-Dollar. Tatsächlich war das Land zu einem von nur sechs Ländern außerhalb Nordamerikas und Europas geworden, das die Fähigkeit zur Produktion der vier wichtigsten Waffengattungen besaß: Flugzeuge, kleine Marineschiffe, gepanzerte Kampffahrzeuge und Raketen.

Im Jahr 1983, nach der Wiederbewaffnung von Syrien durch die Sowjetunion infolge des Libanonkrieges, verschoben sich die Interessen der USA radikal zugunsten von Israel. Vor dem Hintergrund des Kalten Krieges definierte die Reagan-Regierung die Machtachsen im Nahen Osten neu – sich selbst und Israel auf der einen Seite, die Sowjetunion und Syrien auf der anderen. Israel erhielt fast 3,5 Milliarden US-Dollar an Militärhilfen, ein Großteil davon als Darlehen. Von größerer Tragweite jedoch war die Entscheidung, das Land in das globale US-amerikanische Verteidigungssystem zu integrieren. Mit der Joint Political Military Group und der Strategic Dialogue Group wurden zwei Instanzen geschaffen, um sich über gemeinsame Bedrohungsszenarien auszutauschen und gemeinsame Strategien zu entwickeln. Marine und Luftwaffe beider Länder führten gemeinsame Manöver durch und die USA begannen mit der Aufstockung ihrer Militärbestände, auf die Israel bei Bedarf Zugriff erhalten sollte. Die Militärhilfen an Israel waren nicht länger an die Auflage geknüpft, diese Gelder ausschließlich in den USA zu investieren; 15 Prozent konnten nunmehr auch zur Finanzierung oder zum Erwerb von Waffen genutzt werden, die in Israel produziert wurden (etwa die Lavi-Düsenjäger und der Merkava-Panzer). Ganze 37 Prozent des israelischen Militärbudgets wurden zu diesem Zeitpunkt von den USA finanziert.

Im Jahr 1989 verlieh die Reagan-Regierung Israel den Status eines wichtigen Nicht-NATO-Verbündeten (MNNA). Dieser brachte Israel noch größere militärische Privilegien und Vorteile. Als MNNA kann Israel US-amerikanische Rüstungsgüter zu Vorzugspreisen erwerben und erhält auch zugangsbeschränkte Waffensysteme wie panzerbrechende Uran-Munition, Streubomben und Anti-Personen-Waffen, die von Israel bei seinen Angriffen gegen den Libanon oder auf den Gazastreifen eingesetzt wurden. Das Land kann sich auch um bestimmte Rüstungsaufträge zur Reparatur und Instandhaltung der militärischen Ausrüstung außerhalb der Vereinigten Staaten bewerben und an gemeinsamen Militärübungen teilnehmen. Am wichtigsten für Israel ist jedoch, dass es sich an gemeinsamen Forschungs- und Entwicklungsprojekten (F&E-Projekte) mit dem US-amerikanischen Verteidigungsministerium beteiligen kann, wodurch es privilegierten Zugang zu US-amerikanischer Militärtechnologie erhält – und das trotz der Beschwerden, denen zufolge Israel unerlaubt auf Kosten der US-Konzerne und sogar der US-Sicherheit von dieser Technologie profitierte. Anfang der 1990er Jahre waren Israel und die USA an 322 gemeinsamen Projekten mit einem geschätzten Wert von 2,9 Milliarden US-Dollar beteiligt. Ebenfalls von immenser Bedeutung ist die Tatsache, dass der MNNA-Status Israel erlaubt, US-Militärtechnik in ihre eigene Waffenproduktion zu integrieren, die dann an Drittstaaten verkauft wird, oder US-Militärtechnologie direkt an andere Länder zu veräußern.

Als sich das Außenministerium, das von James Baker geführt wurde, mit Jitzchak Schamir (Likud) einem unnachgiebigen israelischen Premierminister auf der einen Seite und republikanischen Unternehmer*innen auf der anderen Seite gegenübersah, die darauf drängten, in muslimischen Ländern geschäftlich tätig zu werden, war es die Regierung unter dem Republikaner George Bush, die eine gewisse Kehrtwende vollzog und die kritischste Haltung gegenüber Israel seit Eisenhower einnahm. Bush erklärte das von Israel annektierte Ost-Jerusalem zu besetztem Gebiet und hielt 10 Milliarden US-Dollar an Darlehensgarantien zurück, um damit gegen die fortgesetzte israelische Siedlungspolitik zu protestieren. Trotz des Abschusses von irakischen Scud-Raketen auf Tel Aviv während des ersten Golfkrieges, übten die Vereinigten Staaten Druck auf Israel aus, auf eine Reaktion zu verzichten, um die arabischen Partner nicht aus der Koalition gegen Saddam Hussein zu treiben. Energischer Druck auf Schamir führte schließlich zur Einberufung der Madrid-Konferenz im Oktober 1991 – auch wenn es Schamir letzten Endes doch gelang, diese zu torpedieren. Nach der Wahlniederlage gegen Jitzchak Rabin (Arbeitspartei) 1992 gestand Schamir in einer öffentlichen Verlautbarung: „Ich hätte noch zehn Jahre lang Autonomiegespräche geführt, und in der Zwischenzeit hätte sich eine halbe Million Menschen in Judäa und Samarien niederlassen können.“

Die Qualität und Intensität der Beziehungen zwischen den USA und Israel sind stark von den Führungspersönlichkeiten beider Regierungen und ihrem Politikstil abhängig. So verband den demokratischen Präsidenten Bill Clinton und Jitzchak Rabin, die etwa gleichzeitig ihr Amt antraten, eine sehr enge Beziehung, sowohl in persönlicher als auch in politischer Hinsicht. Das zeigte sich insbesondere während des Oslo-Friedensprozesses mit dem Händedruck der beiden auf dem Rasen vor dem Weißen Haus, nach der Grundsatzerklärung im September 1993. Eines der Zugeständnisse, die die Clinton-Regierung gegenüber Rabin machte, war die Neueinstufung der Westbank, Ost-Jerusalems und Gazas von „besetzten Gebieten“ zu „umstrittenen Gebieten“. Dies ermöglichte es Israel, die Verhandlungen nicht auf der Grundlage des internationalen Rechts führen zu müssen und so das im Vierten Genfer Abkommen vorgesehene Verbot der Beschlagnahmung palästinensischen Grund und Bodens, der Zerstörung palästinensischer Gebäude, der Errichtung israelischer Siedlungen und entsprechender Infrastruktur sowie dem Ausbau seiner Kontrolle über die besetzten palästinensischen Gebiete zu ignorieren – trotz des noch andauernden „Friedensprozesses“. Dieses Zugeständnis von Clinton hat seither alle Versuche untergraben, internationales Recht anzuwenden, um Israel dazu zu zwingen, besetzte Gebiete wieder aufzugeben.

Eine endgültige Einschätzung der Figur Rabin lässt sich letztendlich nicht vornehmen: Er wurde im November 1995 bei einer Friedenskundgebung in Tel Aviv ermordet. Deshalb werden wir nie erfahren, ob er eine Zwei-Staaten-Lösung tatsächlich herbeigeführt und Israelis und Palästinenser*innen endlich Frieden gebracht hätte. Nach einem kurzen Zwischenspiel von Schimon Peres (Arbeitspartei) als Premierminister war Benjamin Netanjahu (Likud) sein Nachfolger im Amt, dessen knapper Sieg zu einem Großteil auf die Serie von Selbstmordanschlägen der Hamas im Vorfeld der Wahlen im März 1996 zurückzuführen ist. Clinton und Netanjahu hatten eine kurze und angespannte Beziehung, die im Juli 1999 endete, als Ehud Barak (Arbeitspartei) Netanjahu klar besiegte. In diese Zwischenphase fallen allerdings die Verhandlungen von Wye Plantation, bei denen Netanjahu und sein Außenminister Ariel Scharon den Oslo-Prozess effektiv beerdigten, indem sie einen bereits vereinbarten Rückzug Israels aus palästinensischem Gebiet aussetzten.

Auch das Zwischenspiel Clinton-Barak währte nur kurz und brach mit dem Ende von Clintons Amtszeit im Januar 2001 ab (Barak wiederum unterlag Scharon deutlich bei den Wahlen im März 2001). Doch obwohl Barak die aktive Unterstützung von Clinton in den Verhandlungen mit den Palästinenser*innen gewonnen hatte – insbesondere bei den gescheiterten Verhandlungen in Camp David im Sommer 2000 –, spielte der ehemalige Stabschef, der als Parlamentsabgeordneter der Arbeiterpartei die Oslo-Vereinbarungen abgelehnt hatte, ebenfalls seine Rolle bei der Zersetzung des Oslo-Prozesses. In Camp David bekundete Barak, er habe Arafat ein „großzügiges Angebot“ gemacht – auch wenn dieses nicht ausreichte, um die israelische Kontrolle zu beenden und einen tatsächlich souveränen und funktionsfähigen palästinensischen Staat zu errichten – und verkündete anschließend, die Palästinenser*innen seien keine „Partner für den Frieden“. Noch heute dienen diese Aussagen der israelischen Führung, um jegliche Verhandlungen zu blockieren. Neben seinem Zugeständnis an Rabin, die besetzten palästinensischen Gebiete als „umstrittene Gebiete“ einzustufen, spielte Clinton ebenfalls eine zweifelhafte Rolle, indem er das Scheitern der Verhandlungen Arafat anstelle von Barak zuschob. Das Scheitern von Camp David führte in Kombination mit der gezielten Provokation durch den „Besuch“ der Al-Aqsa-Moschee von Scharon am 28. September 2000 (mit Baraks Erlaubnis) direkt zur Zweiten Intifada. Im Januar bemühte sich Barak um eine weitere Verhandlungsrunde in Taba, doch auch diese scheiterte. Damit ging auch seine Amtszeit ebenso wie die von Clinton zu Ende.

In einer weiteren schicksalhaften Wendung traten Scharon und George W. Bush zeitgleich ihr Amt an, sie pflegten eine enge persönliche Beziehung und standen sich auch ideologisch recht nahe (George W., ein evangelikaler, „wiedergeborener“ Christ, übernahm das Amt, als der „christliche Zionismus“ seinen Aufstieg in der Republikanischen Partei begann). Bush junior vollzog erneut eine Kehrtwende gegenüber der israelkritischen Haltung seines Vaters. Nach den Anschlägen vom 11. September 2001 sah er Israel an vorderster Front im globalen Kampf gegen den Terror. Unter dem Eindruck des israelischen Trainings US-amerikanischer Truppen im Vorfeld des anstehenden Krieges gegen den Irak genehmigte Bush Ende März 2003, nur wenige Tage nach der Invasion in den Irak, ein Sonderdarlehen in Höhe von einer Milliarde US-Dollar, zusätzlich zur regulären Finanzhilfe von 2,7 Milliarden US-Dollar für das Haushaltsjahr 2003 und 9 Milliarden US-Dollar als garantierte Wirtschaftsanleihen der US-Regierung.

Nicht minder bedeutsam ist der Brief, den George W. Bush im April 2004 an Scharon schickte, in dem es heißt: „Angesichts der neuen Gegebenheiten vor Ort, einschließlich bereits bestehender größerer israelischer Ballungszentren, ist es unrealistisch zu erwarten, dass ein Ergebnis der Verhandlungen über den endgültigen Status eine vollständige und umfassende Rückkehr zur Waffenstillstandslinie von 1949 vorsehen wird. Alle bisherigen Verhandlungsbemühungen einer Zwei-Staaten-Lösung sind zu demselben Schluss gelangt.“ Dies kam einer verbindlichen und offiziellen Ablehnung der Zwei-Staaten-Lösung seitens der USA gleich; man würde nichts mehr unternehmen, um Israel an der schnellen „Ausweitung“ seiner Siedlungen zu hindern. Getrieben vom britischen Premierminister Tony Blair, der dies als Gegenleistung für den britischen Eintritt in die „Koalition der Willigen“ verstand, verkündete Bush im Juni 2002 die Road-Map-Initiative in Richtung einer Zwei-Staaten-Lösung, eine Initiative, die sogar zum großen Befremden Israels den Begriff der „Besatzung“ verwendete. Doch sein eigener Brief an Sharon beraubte die Initiative ihres gesamten Inhalts. Die israelischen Regierungen haben seitdem von jedem US-amerikanischen Präsidenten eine Bestätigung dieser Position verlangt (und auch erhalten), und Verteidigungsminister Avigdor Lieberman hat dasselbe bereits vom gewählten Präsidenten Donald Trump gefordert (vgl. Jerusalem Post, 11. November 2016).

Auch auf militärischer Ebene erhielt Israel die vollständige und kritiklose Rückendeckung der Bush-Regierung. Diese ließ Israel während des Militäreinsatzes im Libanon 2006 gewähren (es waren die USA, die eine Resolution des Sicherheitsrates für eine sofortige Waffenruhe verhinderten) und wiederholte dieses Vorgehen noch einmal während der Operation „Cast Lead“ („Gegossenes Blei“) in Gaza im Dezember 2008.

Während der letzte Tage seiner Amtszeit genehmigte Bush ein über zehn Jahre laufendes militärisches Hilfspaket im Wert von 30 Milliarden US-Dollar für Israel (zusätzlich zu den regelmäßig vergebenen Sonderdarlehen, wie etwa zur Entwicklung des mobilen Raketenabwehrsystems Iron Dome). Beinahe die Hälfte der jährlichen US-amerikanischen Militärhilfen fließt aktuell an Israel.

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Premierminister Ariel Sharon trifft US Präsident George W. Bush während der sechzigsten Sitzung der UN Generalversammlung in New York. Photo: Avi Ohayon, Israeli Government Press Office

Die Grenzen des US-amerikanischen Einflusses auf Israel

Trotz isolierter Versuche von Eisenhower und Bush senior, Israel zu zügeln, waren die verschiedensten Regierungen nicht in der Lage – so sie es denn überhaupt versucht haben –, Israel davon abzuhalten, straffrei all jene Schritte zu unternehmen, die Israel entweder in den besetzten palästinensischen Gebieten oder in den Nachbarstaaten unternehmen wollte. Das musste auch Barak Obama erfahren. Obamas Amtszeit begann im Januar 2009, kurz vor der erneuten Wahl Netanjahus als Ministerpräsident (im März 2009). Es kann kaum zwei unterschiedlichere Führungspersönlichkeiten geben. Eine der obersten Prioritäten Obamas im Amt war die Verbesserung der beschädigten Beziehungen zur arabischen Welt; seine Rede in Kairo und seine Erklärung, wonach die Lösung des Israel-Palästina-Konflikts „im zentralen nationalen Interesse der Vereinigten Staaten“ läge, weckten hohe Erwartungen. Die Entsendung von George Mitchell als persönlicher Sonderbeauftragter Obamas tat das Übrige. Sowohl Vize-Präsident Biden als auch Außenministerin Hillary Clinton nannten den Konflikt „untragbar“, ein vergleichsweise starkes Wort für führende US-Beamt*innen. Die Netanjahu-Regierung begann, öffentlich ihre ernste Besorgnis kundzutun, die USA könnten versuchen, Israel eine nicht akzeptable Lösung aufzuzwingen.

Ein dramatischer Vorfall um Vize-Präsident Joe Biden verdeutlichte kurz darauf, in welcher Weise Israel die US-Politik beeinflusst. Biden war die wichtigste Stimme Israels in der US-Regierung, ein langjähriger loyaler Israel-Unterstützer. Während seines Besuchs in Israel im März 2010 verkündete die israelische Regierung plötzlich den Bau von 900 neuen Wohneinheiten in den Siedlungen, was im höchsten Maße beschämend für Biden war. Warum? Warum sollte Israel absichtlich ihren wichtigsten Fürsprecher in einer für sie scheinbar schwierigen Regierung bloßstellen? Die Absicht war, Obama und seine Regierung in ihre Schranken zu weisen und ihnen zu zeigen, wer in Washington tatsächlich das Sagen hat.

Obama reagierte so verärgert, wie Netanjahu es erwartet hatte. Er wies Clinton an, ein vierteiliges Ultimatum zu stellen: Israel müsse die Genehmigung für den Bau der Wohneinheiten zurückziehen, alle Bauvorhaben in Ost-Jerusalem aussetzen, mit der Freilassung von Hunderten von Gefangenen den Palästinenser*innen gegenüber eine Geste des guten Willens zeigen und sich damit einverstanden erklären, die Teilung Jerusalems und eine Lösung für das palästinensische Flüchtlingsproblem zumindest zu diskutieren. Obama drohte damit, dass weder er noch andere hochrangige Regierungsvertreter*innen sich mit Netanjahu oder seinen Minister*innen beim kommenden Besuch in Washington treffen würden. Am 26. März 2010 rief Obama Netanjahu zu sich. In einer mitternächtlichen Besprechung ohne Kameras oder Presseerklärungen machte Obama seinen Ärger gegenüber Netanjahu Luft und schickte ihn nach Hause.

Und damit war die Falle zugeschnappt. Netanjahu wandte sich über AIPAC an den Kongress. Innerhalb weniger Tage sandten beide Kongresskammern einen Brief zur Unterstützung für Netanjahu, einem ausländischen Staatschef, gegen ihren eigenen Präsidenten (und im Fall der Demokraten gegen ihren eigenen Parteichef)! Der Brief wurde von 333 Mitgliedern des Abgeordnetenhauses (von insgesamt 435) und 76 Senator*innen (von insgesamt 100) unterzeichnet. Bald darauf hieß ein geläuterter Präsident Obama Netanjahu im Weißen Haus willkommen und umarmte ihn an der Eingangstür.

Wie effektiv es Israel gelingt, US-amerikanische Politik zur Umkehr zu bewegen, zeigte sich ein Jahr später auf dramatische Weise. Am 19. Mai 2011 hielt Obama eine außenpolitische Rede, in der er zu einer Rückkehr zu den Grenzen Israels vor 1967 mit gegenseitig vereinbartem Austausch von Gebieten aufrief – den Grundsätzen der Zwei-Staaten-Lösung. Netanjahu, mit dem er sich am Folgetag treffen sollte, war erzürnt. Was bitte war aus dem Bush-Brief von 2004 geworden, in dem die USA darauf verzichteten, eine Rückkehr zu diesen Grenzen anzustreben, der Grundlage der israelischen Siedlungspolitik seither? Erneut wandte sich Netanjahu an den Kongress, vor dem er noch in derselben Woche eine Rede halten sollte. Am Tag nach dem Treffen zwischen Obama und Netanjahu, am 21. Mai, vollzog Obama eine komplette Kehrtwende. In einem Grußwort an AIPAC sagte er: „Mein Verweis auf die Grenzen von 1967 mit gemeinsam vereinbartem Austausch von Gebieten stand, und tut es selbst jetzt noch, im Zentrum der Aufmerksamkeit. Und da meine Position bereits einige Male fälschlich dargestellt worden ist, möchte ich hiermit noch einmal betonen, was ‚Grenzen von 1967 mit gemeinsam vereinbartem Austausch von Gebieten‘ bedeutet.“ Anschließend zitierte er aus dem Bush-Brief. „Per Definition“, begann Obama,

„bedeutet es, dass die Parteien – Israelis und Palästinenser – selbst eine Grenze aushandeln werden, die sich von der unterscheiden wird, die am 4. Juni 1967 bestanden hat. Das ist, was gemeinsam vereinbarter Austausch von Gebieten meint. Es ist eine wohlbekannte Formel für all jene, die seit einer Generation zu diesem Thema arbeiten. Sie ermöglicht es den Parteien, selbst für die Veränderungen Rechnung zu tragen, die in den vergangenen 44 Jahren stattgefunden haben. Sie ermöglicht es den Parteien, für diese Veränderungen Rechnung zu tragen, einschließlich der neuen demografischen Gegebenheiten vor Ort und den Bedürfnissen beider Seiten. Das Ziel sind zwei Staaten für zwei Völker: Israel als jüdischer Staat für jüdische Menschen und Palästina als Heimat der Palästinenser – jeder Staat in Selbstbestimmung, gegenseitiger Anerkennung und Frieden.“[5]

Auf einen Schlag hatte Obama den Bush-Brief zur offiziellen Politik der US-Regierung erhoben und einer funktionierenden Zwei-Staaten-Lösung den Boden entzogen. Zwei Tage später, am 24. Mai, lobte Netanjahu Obamas Übernahme der Bush-Politik in seiner Ansprache vor beiden Kammern des Kongresses. „Der genaue Verlauf der Grenzen muss ausgehandelt werden“, sagte er. „Wir werden großzügig sein, wenn es um die Größe eines zukünftigen palästinensischen Staates geht [auf das Barak’sche Schlagwort anspielend]. Wie Präsident Obama jedoch sagte, wird sich die Grenze von der unterscheiden, die am 4. Juni 1967 existiert hat. Israel wird nicht zu den unhaltbaren Grenzen von 1967 zurückkehren.“[6] Im Dezember 2012 waren die USA eines von nur neun Ländern, die gegen die Aufnahme Palästinas in die UNO stimmten.

Ein nunmehr völlig gezähmter Präsident Obama unterzeichnete im Juli 2012 den „United States-Israel Enhanced Security Cooperation Act“. Neben anderen Vorteilen bot dieses Kooperationsabkommen Israel überschüssige Waffen und Ausrüstung, die das US-amerikanische Militär nach dem Abzug aus dem Irak zurückgelassen hatte, und drängte auf eine stärkere Rolle des Landes innerhalb der NATO. Im Jahr 2014 verlieh Obama dem „United States-Israel Strategic Partnership Act“ Gesetzesstatus, mit dem Israel erneut zu einem „bedeutenden strategischen Partner“ erklärt wird, dem dadurch Zugang zu Informationen, Programmen und gemeinsamen Projekten in den Bereichen Verteidigung, Nachrichtendienste, innere Sicherheit, Wissenschaften, Handel usw. gewährt wird, die keinem anderen Land zur Verfügung stehen, wodurch die QME von Israel noch einmal bestärkt wurde. (Das Gesetz wurde in der Abgeordnetenkammer mit 410:1 und im Senat einstimmig angenommen.)

Im Global-Firepower-Index[7] von 2016 belegt Israel unter den größten Militärmächten der Welt den 16. Platz – dabei lässt dieser Index die atomare Kapazität unberücksichtigt, mit der Israel, als vermutlich viertgrößte Nuklearmacht der Welt, wesentlich höher einzustufen wäre. Von einem Exportvolumen „von etwas mehr als einer Milliarde US-Dollar“ Anfang der 1980er Jahre ist das Land seit 1982 konstant unter den zwölf größten Waffenexporteuren der Welt zu finden; im Jahr 2015 summierten sich die israelischen Exporte im Sicherheitsbereich auf 5,7 Milliarden US-Dollar, wodurch das Land zu den zehn wichtigsten Exporteuren im Rüstungsbereich zählt.[8]

Und tatsächlich verkaufen die USA im Rahmen dieser „Sonderbeziehung“ hochmoderne Waffen an Israel, die häufig selbst engsten Verbündeten vorenthalten bleiben, ebenso wie jene, die in gemeinsamen US-israelischen Projekten entwickelt werden. Die USA werden die israelische Luftwaffe beispielsweise mit 102 F-16-Düsenjägern ausstatten, die speziell auf israelische Bedürfnisse angepasst wurden (bezeichnenderweise nennt sich das Flugzeug F-16I oder Sufa, was auf Hebräisch „Sturm“ heißt). Der israelische F-16I versetzt Israel in die Lage, Vergeltungsschläge im gesamten Nahen Osten zu verüben; sie können selbst Ziele im Iran ansteuern ohne nachtanken zu müssen, was wesentlich zum Abschreckungspotenzial Israels beiträgt.

Diese Situation hat ein US-amerikanisches Wettrüsten im Nahen Osten losgetreten, mit offensichtlichem Nutzen für das Pentagon und insbesondere für die US-amerikanische Rüstungsindustrie, aber nicht zufälligerweise auch für Israel. Da der QME-Grundsatz die Überlegenheit der israelischen Waffen fordert, dreht sich die Spirale der militärischen Macht Israels und seiner Fähigkeit, modernste Technik zu erwerben, immer weiter nach oben. Als dann Saudi-Arabien, ein vorgeblich durch den Iran bedrohter Verbündeter der USA, die Erlaubnis erhielt, fortgeschrittene F-15-Abfangjäger zu erwerben, konnte Israel 20 neue F-35-Stealth-Jäger der fünften Generation von Lockheed Martin kaufen (ein Deal, der durch 2,75 Milliarden US-Dollar Militärhilfe noch „versüßt“ wurde, die zum Großteil in den USA ausgegeben werden müssen und damit eine Subventionierung der US-amerikanischen Rüstungskonzerne darstellt).

Warum unterstützen die USA Israel so vorbehaltlos?

Henry Kissinger pflegte zu sagen, dass Staaten keine Freunde, sondern Interessen haben. Woher rührt also die vorbehaltlose Unterstützung durch die US-amerikanische Regierung, obwohl sie mit der Politik Israels nicht einverstanden ist? Was ist an der Unterstützung Israels so verlockend, dass die USA das Risiko eingehen, all ihren Einfluss in der muslimischen Welt und den Zugang zu den Energieressourcen des Nahen Ostens zu verlieren?

Meiner Meinung nach wären das vor allem folgende vier Gründe:

1. Israel gilt als strategischer Verbündeter. Während des Kalten Krieges – und insbesondere seit dem Krieg von 1967 – verstand man Israel als nützlichen Bündnispartner gegen die Sowjetunion und manchmal, wie in Nicaragua, auch als Stellvertreter der USA. Nach dem 11. September 2001 galt Israel als wichtiges Werkzeug im globalen Krieg gegen den Terrorismus und für die Verteidigung der US-Interessen im Nahen Osten, ein Außenposten US-amerikanischer Vormacht (Israel wurde auch als „Amerikas größter Flugzeugträger“ bezeichnet). Die Spezialisierung Israels auf Aufstands- und Terrorismusbekämpfung, die sie primär an der Bevölkerung im Labor der sogenannten besetzten palästinensischen Gebieten erprobt haben, hält man heute für entscheidend bei der Führung „asymmetrischer Kriege“ im Ausland und sicherheitsbürokratischer Kriege im eigenen Land (unter dem Stichwort „Homeland Security“).

2. Israel gilt in kultureller/politischer Hinsicht als Ableger der USA. Der vielleicht wichtigste PR-Coup der Geschichte ist das 1958 von Leon Uris veröffentlichte Buch „Exodus“, in dem die Geschichte Israels sehr emotional geschildert wird. In Dutzende Sprachen übersetzt markiert das Buch einen Wendepunkt in der öffentlichen Unterstützung Israels insbesondere in den USA, wo es mit Paul Newman in der Hauptrolle und der von Andy Williams gesungenen Musik von Henry Mancini mit großem Erfolg verfilmt wurde. „Exodus“ spielt mit den grundlegenden Themen des US-amerikanischen Lebens. Die Israelis wurden mit amerikanischen Pionier*innen verglichen (beide Länder nutzten diesen Begriff), die gegen die nativen „Wilden“ kämpfen, seien diese nun Native Americans oder Araber*innen. In beiden Fällen bekamen sie das Image weißer, demokratischer und europäischer Länder – beide von Gott „auserwählt“ –, die einem Kampf der Kulturen gegen böse Mächte wie Kommunist*innen, Terrorist*innen usw. führten. Israel wurde ein Teil der US-amerikanischen Kultur.

Aus diesem Grund, und nicht zuletzt wegen der christlich-amerikanischen Identifizierung mit dem Heiligen Land (womit Israel gemeint ist und nicht die Palästinenser*innen), wurde Israel Teil der US-amerikanischen Innenpolitik. Israel zu kritisieren ist ein ungutes Unterfangen, wenn man als AbgeordneteR erneut in den Kongress gewählt werden will. Nicht zu vergessen ist auch der Einfluss der Waffenindustrie, ein mächtiger Akteur, der auf eine starke US-Unterstützung Israels drängt (und einen Konflikt gebeutelten Nahen Osten). Der US-amerikanische Politikwissenschaftler Stephen Zunes schreibt in „The Israel Lobby: How Powerful is it Really?“ (Washington: Foreign Policy in Focus, 16. Mai 2006):

„Der militärisch-industrielle Komplex hat großen Anteil an der Förderung massiver Waffenlieferungen an Israel und andere US-Bündnispartner im Nahen Osten und kann enormen Druck auf die Kongressmitglieder ausüben, die solchen Waffenlieferung kritisch gegenüber stehen, […] insbesondere weil in so vielen Wahlbezirke Fabriken stehen, die diese militärische Ausrüstung herstellen.

Die Waffenindustrie spendet für jede Kongresskampagne mehr als sieben Millionen US-Dollar – doppelt so viel wie die pro-israelischen Gruppierungen. Was die Lobbygelder betrifft, sind diese Unterschiede noch massiver: Allein Northrop Grumman stellt sieben Mal so viele Mittel zu Lobbyzwecken bereit wie der Amerikanisch-israelische Ausschuss für öffentliche Angelegenheiten AIPAC und Lockheed Martin viermal so viele. Auch im Vergleich mit den Ausgaben von General Electric, Raytheon, Boeing und anderen Unternehmen mit großen Rüstungsverträgen erscheinen die Lobbyausgaben von AIPAC winzig.“

3. AIPACs Fähigkeit, zentrale US-amerikanische Wählerkreise zu mobilisieren. Die Macht der jüdischen Gemeinden in den USA ist darauf zurückzuführen, dass sie Schlüsselpositionen in der Industrie, den Medien und der Regierung besetzen und dass sie in Schlüsselstaaten wie New York, Florida und Kalifornien gemeinsam abstimmen, zwischen 70 und 80 Prozent wählen demokratisch (so die New York Times, 9. November 2016), 71 Prozent stimmten für Hilary Clinton. Auch wenn die amerikanisch-jüdische Bevölkerung mehrheitlich progressive Haltungen vertritt, neigt sie doch, was Israel betrifft, dazu, dessen Regierungspolitik zu unterstützen. Diese Unterstützung wird in der US-amerikanischen Regierung von der AIPAC, einer der einflussreichsten Lobbygruppen in den USA, mobilisiert. Um die engen Verbindungen in die USA noch zu verstärken, genießt Israel ebenfalls die Unterstützung von Millionen von Evangelikalen und Fundamentalist*innen, die sich selbst als „christliche Zionisten“ bezeichnen, von denen sich viele in der Republikanischen Partei engagieren.

4. Schließlich, und vielleicht sogar am allerwichtigsten, bietet Israel ein Modell für sicherheitsbürokratische Kontrolle. Neben ausgeklügelter Waffenproduktion und israelischen Militär-„Trainer*innen“ hat Israel in den langen Jahren des Konflikts mit den Palästinenser*innen ein effektives Modell der Aufstandsbekämpfung und Versicherheitlichung („securitization“) entwickelt, den Kern der heutigen Kriegsführung. Insbesondere seit dem 11. September hat die weitreichende Erfahrung Israels mit dem palästinensischen „Terror“ zum Export von Waffen und Kontrolltaktiken geführt. Israel „beliefert“ Länder wie die USA, die dringenden Bedarf an den nötigen Tools für die Umsetzung ihrer eigenen Kriegsführung niederer Intensität, Aufstandsbekämpfung und langfristigen Befriedung haben.

Es bleibt abzuwarten, ob die Unterstützung Israels jemals von den US-amerikanischen Politiker*innen als kontraproduktiv für die eigenen Interessen eingestuft werden wird, in welchem Falle sie Israel möglicherweise endlich zu einem gerechten Frieden zwingen würden. Oder aber ob Israel weiterhin als so wichtiger Bündnispartner der konservativen arabischen Staaten als auch der USA gelten wird, dass der schwelende Konflikt mit den Palästinenser*innen fortgesetzt werden darf. Israel könnte die Besatzung der palästinensischen Gebiete ohne die Unterstützung aus den USA sicher nicht aufrechterhalten. Können die USA davon überzeugt werden, dass sich ihre internationale Position deutlich verbessern würde, wenn sie einen gerechten Frieden zwischen Israelis und Palästinenser*innen aushandelten? Solange dies nicht eintritt, ist es unmöglich zu erkennen, wer womit wedelt.

Jeff Halper ist israelischer Ethnologe und Mitbegründer des israelischen Komitees gegen Hauszerstörungen (ICAHD) und koordiniert das Projekt „Wars Against the People“ von The People Yes! Network (TPYN).

Aufgewachsen im Norden Minnesotas promovierte Jeff Halper in Ethnologie an der University of Wisconsin-Milwaukee, bevor er 1973 nach Israel zog. Mehr als zehn Jahre war er in Jerusalem als Sozialarbeiter der Kommunalverwaltung in den Arbeitervierteln der Mizrachim (also der aus Asien und dem Nahen Osten stammenden jüdischen Bevölkerung) tätig. Als Leiter des ICAHD engagierte sich Jeff Halper viele Jahre gegen die israelische Besatzung der Palästinensergebiete.

Jeff Halper hat viel dazu beigetragen, die Effektivität von Graswurzelorganisationen, die insbesondere auf internationaler Ebene zu sozialer Gerechtigkeit arbeiten, zu erhöhen. Hierfür war er auch am Aufbau des Netzwerks TPYN beteiligt, das die Infrastruktur für Kooperation und Strategieentwicklung unter Gruppen bereitstellen will, die sich für einen progressiven sozialen Wandel weltweit engagieren. Insbesondere koordiniert er das TPYN-Projekt zum Aufbau eines Webportals zum Thema globale Konflikte und Versicherheitlichung. Dieses trägt den Namen „Wars against the People“ und dockt an sein jüngst veröffentlichtes Buch „Die Globalisierung Palästinas“ an.

Zu den vielen wissenschaftlichen und politischen Veröffentlichungen Jeff Halpers gehören „Between Redemption and Revival: The Jewish Yishuv in Jerusalem in the Nineteenth Century“ (Westview, 1991); „Obstacles to Peace“, eine Handreichung mit Artikeln und Karten zum Konflikt in Israel/Palästina, veröffentlicht vom ICAHD; „An Israeli in Palestine“ (London: Pluto Press, 2008) und sein jüngstes Buch „War Amongst the People: Israel, the Palestinians and Global Pacification“ (Pluto Press/University of Chicago, 2015).

(Übersetzung von lingua•trans•fair)

Weiterführende Literatur und Quellen

Tsafrir Cohen: Zeitenwende? Trump und Israel

John Mearsheimer and Stephen Walt, Die Israel-Lobby: Wie die amerikanische Außenpolitik beeinflusst wird, Campus-Verlag (2007)

Noam Chomsky, The Fateful Triangle: The United States, Israel and the Palestinians (Chicago: Haymarket Press, 1999).

Kathleen Christison, Perceptions of Palestine: Their Influence on U.S. Middle East Policy (Berkeley: University of California Press, 1999).

Irene Genzier, Dying to Forget: Oil, Power, Palestine, and the Foundations of U.S. Policy in the Middle East (New York: Columbia University Press, 2015).

Anmerkungen

[1] Die Beziehungen zwischen Israel und den USA erhitzen die Gemüter seit längerem. Die Frage, ob die USA eher Israel für ihre Zwecke nutzen oder Israel die USA, wurde in den US-amerikanischen, britischen und israelischen Diskursen oft mit der Redensart „Wedelt der Hund mit dem Schwanz oder wedelt der Schwanz mit dem Hund“ betitelt. Darauf nimmt der Autor Bezug.

[2] SIPRI: The SIPRI Military Expenditure Database, 2014, S. 260.

[3] Wie Abraham Ben-Zvi es in seinem Buch „John F. Kennedy and the Politics of Arms Sales to Israel“ nachzeichnet (London: Frank Cass, 2002).

[4] Ebd., S. 3.

[5] Pressesprecher des Weißen Hauses. Vgl. online unter: www.whitehouse.gov/the-press-office/2011/05/22/remarks-president-aipac-policy-conference-2011.

[6] Ebd.

[7] Vgl. den Global-Firepower-Index unter: www.globalfirepower.com/countries-listing.asp.

[8] Lappin, Yaakov: Israel exported 5.7 billion dollars of defense products in 2015, in: The Jerusalem Post, 4.6.2016, unter: www.jpost.com/Israel-News/Israel-exported-57-billion-dollars-of-defense-products-in-2015-450462.

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