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Klimaprotest: Blockierung des Steinbruchs in Wadi Rabah, November 2020. Die Blockade war ein Protest gegen den Plan der Regierung, den Steinbruch auf besetztem Gebiet sowie einen ökologischen Korridor zu erweitern. Foto: Ya´ ara Peretz

Die israelischen Umweltbewegungen dürfen nicht länger schweigen

Seit Ausbruch des aktuellen Krieges hat die Umweltbewegung in Israel, insbesondere die großen Organisationen, keine klare Stimme für einen Waffenstillstand und die Beendigung des Krieges erhoben. Wie andere Organisationen stehen auch sie vor schwierigen Herausforderungen in einer militaristischen Realität. Klima-Aktivistin Ya´ ara Peretz behauptet jedoch, dass dies deren Verantwortung nicht mindert. 

In einem Brief an den Vorstand des Dachverbandes der israelischen Umweltbewegung vom 14. Februar 2024 wurde dieser dazu aufgerufen, sich gegen den Krieg im Gazastreifen zu positionieren. Die Aktivist*innen, jüdische und palästinensische Staatsbürger*innen Israels, die den Brief verfasst hatten, führten eine Reihe von Gründen an, die ihrer Meinung nach jeden und jede, der/die sich als Umweltschützer*in versteht, dazu verpflichtet, klar und deutlich für die Beendigung des Kriegs einzutreten. Denn zu der Zeit lagen bereits Beweise dafür vor, dass es sich um eine humanitäre und um eine ökologische Katastrophe handelte: Zehntausende Tote und Verwundete, über eine Million Vertriebene, ein Großteil der öffentlichen Infrastruktur zerstört, der Strom komplett abgeschaltet, die natürliche Umwelt stark geschädigt und 70 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzflächen sowie 45 Prozent der Gewächshäuser durch Bombardierung und die Invasion von Bodentruppen zerstört.[1] Auch die Trinkwasser-Infrastruktur, einschließlich der natürlichen Wasserreservoirs, waren abgeschaltet oder zerstört, was den Wassermangel verschärfte. Dies alles führte zu einer Krise des Gesundheitswesens und zum Ausbruch von Epidemien sowie zu einer Hungersnot sowohl infolge der Zerstörung der Möglichkeiten, Nahrungsmittel anzubauen, als auch infolge der israelischen Strategie des Aushungerns.

Das Schreiben endete mit den Worten: „In den letzten Jahren wurden die Begriffe Klima- und Umweltgerechtigkeit häufig im Zusammenhang mit sozialen und ökologischen Aktivitäten verwendet. Allerdings ist unserer Meinung nach die tatsächliche Umsetzung dieser Prinzipien noch weit davon entfernt, in der israelischen Umweltbewegung bedeutsam zu sein. Angesichts der täglichen Konfrontation mit den anhaltenden Schrecken des Krieges, der sich vor unseren Augen abspielt, wird die Notwendigkeit einer anderen zivilgesellschaftlichen Vision für ein nachhaltiges Leben in diesem Land immer dringlicher … als Umweltaktivist*innen spielen wir eine entscheidende Rolle bei diesen Bemühungen.“

"Angesichts der täglichen Konfrontation mit den anhaltenden Schrecken des Krieges, der sich vor unseren Augen abspielt, wird die Notwendigkeit einer anderen zivilgesellschaftlichen Vision für ein nachhaltiges Leben in diesem Land immer dringlicher … als Umweltaktivist*innen spielen wir eine entscheidende Rolle bei diesen Bemühungen."

Keine Umweltorganisation hat auf diesen Aufruf reagiert und bis heute schweigt der Großteil der israelischen Umweltbewegung in Bezug auf die Beendigung des Krieges. Für diejenigen von uns, die ein Konzept der Tiefenökologie vertreten, ist das Schweigen der Umweltorganisationen zumindest ein logischer Fehler, wenn nicht gar ein moralischer. Armeen allein sind für 5,5 Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich,[2] umso mehr, wenn es um Kriege geht, bei denen Zerstörung unweigerlich dazugehört. Kriege führen zur Zerstörung natürlicher Flächen, zur Verschmutzung von Böden und Wasserquellen, zur Reduzierung der biologischen Vielfalt und mehr.[3] Egal wie sehr Mensch sich auch bemüht, kein Krieg und keine militärische Aktion kann grün gelabelt werden.

In der globalen Umweltbewegung ist das schon lange bekannt. Im Januar 2024 veröffentlichte das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (United Nations Environment Program – UNEP) einen vorläufigen Bericht über die Auswirkungen des Krieges im Gazastreifen auf Umwelt und Ökosysteme und bezeichnete die Situation als „beispiellosen Schaden“. In dem Bericht wird auch festgestellt, dass „über das unvorstellbare Leid hinaus, das der Krieg mit sich brachte, die durch den Krieg verursachten Umweltschäden zu einem sehr langwierigen und entbehrungsreichen Wiederaufbau für die Bewohner*innen des Gazastreifens führen werden,“ was auch das Risiko für ihre Gesundheit langfristig verschärft.[4] Im März 2024 erschien ein Artikel in der englischen Tageszeitung The Guardian, in dem Umweltexpert*innen die Situation im Gazastreifen als „Ökozid“ (Umweltzerstörung) bezeichneten.[5] Die israelischen Umweltorganisationen, die sich ihrem Selbstverständnis nach für Umweltgerechtigkeit einsetzen, verraten ihre eigenen Prinzipien, wenn sie sich immer wieder dazu entscheiden, die Katastrophe im Gazastreifen zu ignorieren. Durch ihr Schweigen verletzen sie die Werte, die sie vorgeben, zu vertreten und in deren Namen zu handeln.

Warum schweigt die Umweltbewegung?

Die Antwort ist, zumindest zum Teil, in dem hiesigen historischen Kontext und den Ursprüngen der zionistischen Bewegung zu finden. Ähnliche kolonialistische Werte, die die europäischen Staaten nach Afrika, Lateinamerika, Asien sowie in den Nahen und Mittleren Osten drängten, tauchten im Rahmen der Errichtung der zionistischen Souveränität in Palästina auf. Damit einhergehend zerstörten westliche Vorstellungen und Narrative von „Aufklärung“, „Zivilisierung“ ganzer Bevölkerungen, „Fruchtbarmachung der Wildnis“, „Begrünung der Wüste“ und das Zubetonieren von Böden[6] die lokalen Ökosysteme – mit schwerwiegenden Langzeitfolgen. Das Land musste sich vollkommen ändern und an die Vorstellungen der zionistischen Bewegung anpassen; der Zweck heiligte die Mittel. Die Tradition der europäisch-kolonialen Vorstellungen vom Vorrang des Menschen vor der Natur, der Vorherrschaft der Weißen und der aschkenasisch-jüdischen Vorherrschaft wirkte sich nicht nur auf die Natur und den landschaftlichen Raum, die bereits vor der Gründung des Staates Israel existierten, sondern auch auf die hier lebenden Palästinenser*innen und die nicht-weißen Jüdinnen und Juden– und dies schon lange vor der Nakba.

Nach der Staatsgründung 1948 bedienten sich Organisationen wie der Jüdische Nationalfonds und andere zionistische Institutionen ökologischer Praktiken zur Förderung politischer Ziele. Um den neuen Staat zu etablieren und zu festigen, galt es, Fakten durch die Besetzung von Naturgebieten, die Einnahme von Territorien und die ethnische Säuberung von Palästinenser*innen zu schaffen. Projekte wie die Trockenlegung von Sümpfen, auf die palästinensische Bäuerinnen und Bauern angewiesen waren, um damit Land für jüdische landwirtschaftliche Betätigung bereitzustellen;[7] die Anpflanzung ganzer Wälder mit aus Europa importierten Bäumen mit dem Ziel, die Ruinen der Dörfer vertriebener Palästinenser*innen zu verdecken (mehr als zwei Drittel der Wälder des Jüdischen Nationalfonds wachsen auf den Ruinen von palästinensischen Dörfern); die Einführung westeuropäischer landwirtschaftlicher Praktiken, die auf der maximalen Nutzung von Land und Tieren beruhen, die im lokalen Klima und natürlichen Raum nicht heimisch sind; und die Ausweisung von Land, das sich in palästinensischen Privatbesitz befindet, als Naturschutzgebiete[8] – all dies und noch viel mehr beeinträchtigten die lokale Flora und Fauna grundlegend und veränderten den geografischen Raum bis heute. Diese Veränderungen brachte das Leben der palästinensischen Landbevölkerung, ihren Lebensstil, ihre Kultur und ihre landwirtschaftlichen Praktiken zum Erliegen und führten zu ihrer Vertreibung von ihren landwirtschaftlichen Böden. 

Neben den nationalen Ideen übernahm die israelische Regierung auch das System von «Teile und Herrsche» der britischen Mandatsmacht. Das Ausnutzen von Angst, um Hass zu säen, die Gesellschaft zu polarisieren und die Bevölkerungsgruppen zu spalten, war eines der notwendigen Instrumente, um die israelische Herrschaft zu etablieren und erheblichen zivilen Widerstand zu verhindern. Solche Instrumente dienen der israelischen Regierung bis heute sogar in Bezug auf Themen, über die angeblich ein Konsens bestehen soll, wie etwa die Förderung eines Abkommens zur Freilassung der im Gazastreifen befindlichen israelischen Geiseln während des letzten Jahres. 

Diese Polarisierung und Spaltung förderten, neben der nach der Staatsgründung eingeführten und bis heute fortbestehenden Wehrpflicht in der Armee, in Israel eine militaristische und gehorsame Gesellschaft, in der die Armee eine zentrale Institution und jeder und jede Soldat*in ist. Egal ob wir praktisch in der Armee dienen oder nur ideell, wir sind alle Soldat*innen, die das zionistische Narrativ bewahren. Diese Elemente durchdringen auch die Zivilgesellschaft und die Bewegungen für sozialen Wandel und prägen zum Teil auch die Art und Weise, wie aktivistische Kämpfe gesehen werden.* Im Laufe der Zeit hat diese Denkweise zu einer künstlichen Trennung zwischen den Kämpfen – zu grundlegenden Themen wie soziale Gerechtigkeit, Rassismus, Umweltgerechtigkeit, politische Ungerechtigkeit, Geschlechterfragen usw. – geführt und eine fragmentierte Zivilgesellschaft erzeugt, in der jeder Kampf unabhängig und isoliert von den anderen geführt wird. In jedem Kampf dürfen politische Forderungen formuliert werden; sie dürfen aber keine grundlegende politische  Fragen betreffen und sollten auch nicht an tief sitzenden Probleme rühren. Die Forderungen sollten sich auf Themen konzentrieren, für die eine Organisation ein Mandat hat. Sobald auch nur der Hauch einer Politisierung spürbar ist, wird der Kampf sofort als linker abgetan, was im gegenwärtigen politischen Klima als Delegitimierungsargument gilt.

In der israelischen Umweltbewegung hat sich diese Trennung im Entstehen zweier Strömungen manifestiert – eines Mainstreams, der aus großen, institutionalisierten Umweltorganisationen besteht, und einer radikalen Strömung aus aktivistischen Graswurzel-Bewegungen. Der Mainstream, die Mitglieder des Dachverbands, ist meist bestrebt, sich möglichst weitgehend an der vorherrschenden öffentlichen Meinung zu orientieren. Für sie geht es ums Überleben. Es sei besser, den Kopf einzuziehen und mit jeder Regierung zusammenzuarbeiten, egal wie autoritär diese auch sein mag. Nur so lasse sich die geringe Macht erhalten, die sie noch haben, um in den Bereichen, in denen sie tätig sind, die Arbeitsebenen in den Ministerien zu beeinflussen. Es ist eine weitverbreitete Meinung, dass der Umweltkampf pragmatisch, losgelöst von der Politik und innerhalb der Grenzen des öffentlichen Konsenses geführt werden müsse. Ansonsten werde sich die israelische Öffentlichkeit noch weiter von der Umweltfrage, für die es generell schwer zu mobilisieren sei, distanzieren . Es gebiete sich daher nicht, kritische Fragen zu stellen oder zu hinterfragen, was im Namen des zionistischen Narrativs der Umwelt und den Lebewesen angetan werde. Es gebiete sich nicht, sich im Kontext des zionistischen Narrativs Gedanken über Menschenrechte oder Fragen von Gerechtigkeit und Gleichheit zu machen, es sei denn, die angestellten Überlegungen rühren nicht am System oder an der Frage der „Sicherheit“. Und generell, so die Meinung im Mainstream, „gehöre die Umwelt allen“, und daher sei es wichtig, Meinungsvielfalt im Gespräch walten zu lassen.

Was die Vertreter*innen des Mainstreams jedoch nicht zugeben, ist, dass die Entscheidung, der Politik aus dem Weg zu gehen und die „Meinungsvielfalt“ zuzulassen, selbst politisch ist. Wenn Mensch es vermeidet, tief verwurzelte Probleme anzusprechen, vermeidet Mensch es auch, die zugrunde liegenden Machtverhältnisse in der Gesellschaft und damit auch das zionistische Narrativ zu hinterfragen. In der Praxis kommt es so zu einer weiteren Ausgrenzung gefährdeter und geschwächter Bevölkerungsgruppen, die im Umweltdiskurs ebenfalls marginalisiert werden, obwohl sie am stärksten von der Klimakrise und der Umweltzerstörung betroffen sind. Die Vermeidung von „Politik“ bedeutet praktisch nichts anderes, als denjenigen, die bereits Macht haben, zu ermöglichen, auch weiterhin ihre Macht zu nutzen, und diejenigen, die weniger Macht haben, immer weiter an den Rand zu drängen. In dieser Situation ist es nicht verwunderlich, dass die „Umwelt“-Organisationen der Siedler*innen, die gegen die Palästinenser*innen in den besetzten Gebieten arbeiten, ihre Position stärken und zu einflussreichen Akteuren bei der Gestaltung der Umweltagenda werden.[9] Gleichzeitig nutzt ihre enge Partnerin, Umweltministerin Idit Silman (Likud), Umweltthemen politisch, um eine rechtsextreme Ideologie zu fördern – auf Kosten des Umwelt- und Klimaschutzes. 

Im September 2024, wenige Tage nach der Ermordung von sechs entführten Israelis im Gazastreifen durch die Hamas, fand eine Kabinettssitzung statt, bei der die Umweltministerin ihre wahren Interessen zum Ausdruck brachte: „Das Volk Israel hat klare Handlungsanweisungen. Es gibt nur eine Landkarte und einen Kompass. Dies ist nicht nur der Philadelphi-Korridor. Alle in Dschenin und Nablus und überall sollen wissen, dass wir unser Land zurückhaben wollen; greift [uns] an, wir werden unser Erbe zurückbekommen. Wir erobern nicht – Eroberung/Besatzung ist ein progressives Wort, das die Progressiven über uns gebracht haben. Wir erben [= treten unser Erbe an]. Ein von Gott erhaltenes Erbe. Die Hamas muss den Preis für das, was sie getan haben, zahlen. Die Hamas kennt den Preis für Land, und das gilt auch für alle unsere Feinde.“ Silman behauptet, dass Gott Jüdinnen und Juden zu Erben dieses Landes gemacht habe. Dadurch postuliert sie eine Hierarchie zwischen jüdischen Menschen und Palästinenser*innen sowie eine zwischen Juden und Jüdinnen einerseits und dem Land und den dort lebenden Lebewesen andererseits. Wenn eine Umweltministerin wirklich an die Heiligkeit der Erde glauben würde, würde sie sich mit den enormen Umweltkosten des Massakers im Gazastreifen und des Kriegs im Libanon befassen und deren Ende fordern. Aber dies wird Silman nicht tun, ebenso wie sie sich nicht gegen die Umweltzerstörung zugunsten der Errichtung weiterer illegaler Außenposten und Siedlungen im besetzten Westjordanland aussprechen wird, da sie eine Vertreterin einer rechtsextremen politischen Agenda – der der jüdischen Vorherrschaft im gesamten „Land Israel“ – und nicht der Umwelt ist.

Dieser Kontext erklärt auch gut, warum sich die israelischen Umweltorganisationen auch in der Vergangenheit vom Geschehenen distanziert haben. Zum Beispiel, als sie nicht gegen den Bau der Sperranlage  vorgegangen sind, obwohl sie genau wussten, welche gravierenden Umweltfolgen dieser Plan haben würde.[10] Während ein umfassender Kampf hauptsächlich von der politisch-gesellschaftlichen Linken und Menschenrechtsorganisationen geführt wurde, haben die Umweltorganisationen aus Angst, als Radikale angesehen zu werden und die Umweltagenda zu politisieren, Partei ergriffen und es vorgezogen, pragmatisch zu sein und „dies vom Idealismus zu trennen“. Im Augenblick der irreparablen Umweltzerstörung entschieden sie sich für ihre Zugehörigkeit zum nationalen Konsens – auf Kosten der Umwelt. Diese Loyalität wiederholt sich auch heute noch angesichts der Katastrophe im Gazastreifen und den Zerstörungen im Libanon. 

Trotz der weltweiten Proteste der letzten Jahre, die das Bewusstsein für die Klimakrise geschärft haben, bleibt das Thema in den Diskursen der israelischen Öffentlichkeit, der Politik und den Medien immer noch marginal. Darüber hinaus stößt jeder Versuch, die Klimakrise mit anderen politischen und gesellschaftlichen Themen zu verknüpfen, auf starken Widerstand – sowohl in der Öffentlichkeit als auch innerhalb der Umweltbewegung. Die Umweltbewegung hat jedoch bereits in der Vergangenheit gezeigt, dass sie in Krisenzeiten auch anders, auch solidarisch sein kann, als sie sich 2018 dem Aufruf anschloss, die Abschiebung von Asylsuchenden in Israel zu stoppen.[11] Deshalb ist ihr Schweigen jetzt besonders fatal.

Ein Aufruf für Klimagerechtigkeit und Solidarität

Dem Mainstream, der auf Trennung, Polarisierung und den Wunsch nach nationaler Zugehörigkeit setzt, steht die radikale Strömung (zu der ich gehöre) gegenüber – sie ist klein, aber nicht bereit zu schweigen. Seit Jahren setzen wir uns für Klimagerechtigkeit zwischen dem Jordan-Fluss und dem Mittelmeer ein, in der Überzeugung, dass die Klimakrise nicht von politischen Themen getrennt werden kann – alle Kämpfe gehören zusammen. Wie andere Bewegungen weltweit, die sich für Klimagerechtigkeit einsetzen, sehen wir die Krise als Folge eines globalen Wirtschaftssystems, das auf Gewinnmaximierung und endlosem Wachstum basiert. Das wird ermöglicht durch eine Logik der Überlegenheit (Supremacy), der Ausbeutung, des Kolonialismus und der Unterdrückung – zugunsten einiger Menschen auf Kosten der anderen Menschen, der Umwelt und der Lebewesen. Dieses System bereichert weiterhin die Wenigen auf Kosten der Mehrheit der Menschen, wobei die vulnerabelsten Bevölkerungsgruppen die Kosten über Generationen hinweg tragen müssen.

„Die Klimakrise kann nicht von politischen Themen getrennt werden – alle Kämpfe gehören zusammen. Wie andere Bewegungen weltweit, die sich für Klimagerechtigkeit einsetzen, sehen wir die Krise als Folge eines globalen Wirtschaftssystems, das auf Gewinnmaximierung und endlosem Wachstum basiert.“

Wir weigern uns, uns dem aktuell dominanten israelischen Narrativ unterzuordnen, und kämpfen für den Abbau der Machtverhältnisse und der Unterdrückungsmechanismen, die sich gegenseitig verstärken. Auch im letzten Jahr haben sich israelische Umweltaktivist*innen organisiert, um eine ökologische Stimme gegen den Völkermord an den Palästinenser*innen in Gaza und den Krieg und für Klimagerechtigkeit zu erheben. Wir versuchen, Druck auf die Umweltbewegung auszuüben, ihr Schweigen, ihre Angst und ihre Loyalität zum Konsens zu brechen und nicht abseits zu stehen. Wir haben Organisationen kontaktiert und Treffen, Webinare und politische Führungen abgehalten, um das Bewusstsein für die blutige politische Realität um uns herum zu schärfen. Die meisten Umweltorganisationen ignorierten uns, aber einige engagieren sich für Hilfsinitiativen für Palästinenser*innen im Gazastreifen; zudem sind viele Aktivist*innen in den Organisationen gegen die Zerstörung Gazas, haben aber Angst, ihre Positionen öffentlich zu äußern.

Pablo Casals „hat klar erkannt, dass die Welt mehr bedroht ist durch die, welche das Übel dulden oder ihm Vorschub leisten, als durch die Übeltäter selbst“ (Albert Einstein, 1953). Das Schweigen von Umweltorganisationen, wie auch anderen sozialen Organisationen in Israel, ist Ausdruck einer gefährlichen Mentalität, die seit vielen Jahren angesichts des weltweiten Erstarkens einer autoritären Rechten in Israel, aber auch in Europa und den USA vorherrscht. Die autoritäre Rechte ist weltweit eine wachsende Kraft und viele zivilgesellschaftliche Bewegungen stehen dem schweigend gegenüber. Vom Schweigen der Bewegungen für Veränderung, vom Schweigen derer, die Angst haben, sich zu äußern, profitieren andere. Erst Ende Oktober 2024, ein Jahr nach dem 7. Oktober 2023 und den Gräueltaten im Gazastreifen, genehmigte die deutsche Regierung einen weiteren Militärexport nach Israel im Wert von 100 Millionen Dollar.[12] Als Aktivist*innen für Klimagerechtigkeit ist es unsere Verantwortung und Pflicht, alles zu tun, eine Fortsetzung dieser Gräueltaten zu verhindern.

In Israel, in Deutschland, in Europa, in den USA – jede und jeder von uns hat die eigene relative Macht zu handeln. Umweltthemen sind politisch; sie waren es schon immer und werden es immer sein. Klima- und Umweltgerechtigkeit basieren ganz wesentlich auf Solidarität. Keine und keiner kann angesichts des Völkermords in Gaza unentschlossen bleiben oder den Kopf senken und weiterhin behaupten, dass sie/er sich täglich für „Klimagerechtigkeit“ einsetze. Jetzt ist die Zeit, solidarisch zu handeln und ein Ende der Militärhilfe und ein Ende des Krieges und der Zerstörung im Gazastreifen zu fordern.

Aus dem Hebräischen übersetzt von Ursula Wokoeck Wollin

Anmerkungen

[1] Forensic Architecture Team: A Cartography of Genocide. Israel՚s Conduct in Gaza Since October 2023, 25.10.2024, https://forensic-architecture.org/investigation/a-cartography-of-genocide  

[2] Conflict and Environment Observatory: New Estimate: Global military is responsible for more emissions than Russia, 10.11.2022, https://ceobs.org/new-estimate-global-military-is-responsible-for-more-emissions-than-russi

[3] Hailemariam Meaza et al.: Managing the environmental impacts of war: What can be learned from conflict-vulnerable communities?, in: Science of a Total Environment, 1.6.2024, https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S004896972402117X

[4] UNEP: Damage to Gaza causing new risks to human health and long-term recovery – new UNEP assessment, Presseerklärung, 18.6.2024 https://www.unep.org/news-and-stories/press-release/damage-gaza-causing-new-risks-human-health-and-long-term-recovery

[5] Kamil Ahmed et al.: «Ecocide in Gaza»: does scale of environmental destruction amount to a war crime? , in: The Guardian, 29.3.2024, https://www.theguardian.com/environment/2024/mar/29/gaza-israel-palestinian-war-ecocide-environmental-destruction-pollution-rome-statute-war-crimes-aoe

[6] Braverman, Irus: Settling Nature: The Conservation Regime in Palestine-Israel, Minneapolis 2023, Preface und Introduction.

[7] Anton, Glenna: Blind Modernism and Zionist Waterscape: The Huleh Drainage Project, in: Jerusalem Quarterly, August 2008, https://www.palestine-studies.org/en/node/77857

[8] Braverman: Settling Nature: Preface und Introduction, sowie Zochrot: Expose JNF – Green Washing, The Ongoing Nakba, https://jnf.zochrot.org

[9] https://www.ha-makom.co.il/green-israel-silman (auf Hebräisch)  

[10] Sadeh, Shahar: Evergreen: Environmental Organizations and the Separation Wall, in: Theoria veBikoreth 37 (Van Leer Jerusalem Institute, 2010) [auf Hebräisch].

[11] https://sites.google.com/view/eco-refugees  

[12] Germany approves over $100m worth of arms for Israel,Middle East Monitor, 25.10.2024, https://www.middleeastmonitor.com/20241025-germany-approves-over-100m-worth-of-arms-for-israel, Rüstungsexporte nach Israel deutlich ausgeweitet - ZDFheute

Autor:in

Ya՚ara Peretz entwickelt Kampagnen zu Klimagerechtigkeit und organisiert Communities in Israel/Palästina, wobei sie die Klimakrise mit politischen Themen, Menschenrechten und sozialer Gerechtigkeit verbindet. Sie arbeitet mit dem Kollektiv Gastivists an Themen wie Klimagerechtigkeit, fossiles Gas und Militarismus im östlichen Mittelmeerraum.