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Freude auf den Straßen Tel Avivs über das UN-Votum, am 29. November 1947. Foto: GPO Archiv

Zwei Staaten für zwei Völker

Vor 75 Jahren verabschiedeten die Vereinten Nationen den Teilungsplan für Palästina. Zu den Befürwortern gehörten die USA und die UdSSR, deren geostrategische Interessen mit einer Schwächung britischer Positionen in Nahost einhergingen.

Während der vergangenen 75 Jahre verabschiedete die Organisation der Vereinten Nationen (UN) eine Vielzahl von Beschlüssen, die sich mit dem Schicksal Palästinas oder mit dem israelisch-palästinensischen Konflikt beschäftigten. Nicht wenige von ihnen hatten keinerlei Chance auf Umsetzung und sind inzwischen vergessen. Einige jedoch hatten Bestand und werden immer wieder zitiert. Zu ihnen gehört zweifelsohne die auf der zweiten UN-Vollversammlung am 29. November 1947 angenommene Resolution 181 (II).

Was waren die Hintergründe und Konsequenzen dieses unter anderem von den beiden Großmächten USA und Sowjetunion mitgetragenen Beschlusses?

Palästina nach dem Zweiten Weltkrieg

Der Zweite Weltkrieg hatte die internationale politische Landkarte grundlegend verändert. In Anbetracht millionenfachen Leids, immenser Zerstörungen und der Not der Zivilbevölkerung postulierten die 1945 gegründeten Vereinten Nationen das Ziel, künftige Generationen vor der Geißel des Krieges zu bewahren und alle Kräfte zu bündeln, um den Weltfrieden und die internationale Sicherheit zu gewährleisten. Die in der UN-Charta fixierten Prinzipien der Gleichberechtigung und des Selbstbestimmungsrechts der Völker standen in Einklang mit Unabhängigkeitsbestrebungen in Asien und Nordafrika. Nicht zuletzt das nach dem Ersten Weltkrieg im Nahen Osten etablierte Mandatssystem erschien obsolet. So war es nur folgerichtig, dass das bereits seit Jahrzehnten schwelende Palästinaproblem in den Fokus der Weltorganisation rückte.

Zeitgleich erschütterten Enthüllungen über die systematische Ermordung von sechs Millionen Jüdinnen und Juden durch das NS-Regime die Weltöffentlichkeit. Viele Holocaust-Überlebende richteten ihre Hoffnungen auf Palästina, wo die zionistische Bewegung seit Beginn des 20. Jahrhunderts Grundlagen für eine jüdische Heimstätte geschaffen hatte. Die britische Mandatsmacht jedoch gestattete nur eine begrenzte Einwanderung. Nicht selten endete der Versuch, Palästina illegal zu erreichen, in der Zurückweisung der Migranten oder in einem britischen Internierungslager.

Im Nahen Osten spitzten sich zur selben Zeit die seit Ende des Ersten Weltkriegs vehement zu Tage getretenen Interessengegensätze zwischen jüdischer und arabischer Nationalbewegung zu. Sowohl die 1922 als politische Vertretung des Jischuv gebildete Jewish Agency for Palestine und die international agierende Zionistische Weltorganisation als auch die 1945 in Kairo gegründete Arabische Liga strebten die Unabhängigkeit Palästinas an. Ihre Ziele – gerichtet auf die Schaffung eines jüdischen oder eines arabischen Staates – waren jedoch miteinander unvereinbar. Militante Auseinandersetzungen zwischen den Kontrahenten fanden im Mandatsgebiet fast täglich statt. Zunehmend wurden britische Einrichtungen attackiert.

Das Palästinaproblem vor den Vereinten Nationen

Das britische Empire, dessen Kolonialregime nach dem Zweiten Weltkrieg auf dem indischen Subkontinent mit massivem Widerstand konfrontiert war und sich steigenden Militärausgaben ausgesetzt sah, geriet zunehmend unter Handlungszwang. Die Regierung Clement Richard Attlee beantragte daher am 2. April 1947, die Palästinafrage auf die Tagesordnung der Vereinten Nationen zu setzen. Ihr widmete sich daraufhin die UN-Vollversammlung vom 28. April bis 15. Mai 1947 auf einer Sondersitzung. Beachtung fand die Rede des sowjetischen Chefdelegierten Andrej A. Gromyko, der – trotz Gegnerschaft der UdSSR und der internationalen kommunistischen Bewegung zum Zionismus – „die Bestrebungen der Juden, ihren eigenen Staat zu errichten“[1], für berechtigt erklärte. Er sprach sich für die Schaffung eines binationalen Gemeinwesens aus. Würde sich dieses Vorhaben als nicht realisierbar erweisen, solle Palästina in einen jüdischen und einen arabischen Staat aufgeteilt werden.

Nach Anhörung von Vertretern der Jewish Agency und des durch die Arabische Liga 1946 als Repräsentanz des palästinensisch-arabischen Volkes eingesetzten Hohen Arabischen Komitees beschloss die UN-Vollversammlung am 15. Mai 1947, einen aus elf neutralen Staaten bestehenden Sonderausschuss, das United Nations Special Committee on Palestine (UNSCOP), zu berufen. Dem Gremium wurde die Aufgabe gestellt, die konkrete Situation vor Ort zu überprüfen und Lösungsvorschläge zu erarbeiten. Gestützt auf Befragungen, die während der folgenden Wochen in Palästina durchgeführt wurden, votierte der Ausschuss am 31. August 1947 einstimmig für die Aufhebung des britischen Mandats. Sieben Mitglieder - Guatemala, Kanada, die Niederlande, Peru, Schweden, die Tschechoslowakei und Uruguay - stimmten für die Teilung Palästinas, d. h. für die Zweistaatenlösung. Indien, Iran und Jugoslawien votierten für einen bi-nationalen Föderativstaat. Australien enthielt sich der Stimme mit der Begründung, die Empfehlungen des Ausschusses würden über das UNSCOP-Mandat hinausgehen.

Insbesondere für Großbritannien war die Zukunft Palästinas von politischer und strategischer Bedeutung. Doch auch die anderen Großmächte meldeten ihre Interessen in der Region an. Um insbesondere „ein sowjetisches Vordringen“ zu verhindern[2], wurden im US State Department beispielsweise verschiedene Optionen gegeneinander abgewogen. So hieß es in einem Anfang Juni 1947 diskutierten Arbeitspapier: „Palästina sollte weder ein arabischer noch ein jüdischer Staat, sondern ein unabhängiger palästinensischer Staat werden, in dem alle seine Einwohner, unabhängig von Religion und Abstammung, in Harmonie miteinander leben. Konkret sollte Palästina weiterhin sowohl ein jüdisches Nationalheim in geistiger und kultureller Hinsicht als auch eine Heimat für die Araber und alle anderen, die dort leben, darstellen.“[3] Erst nach Veröffentlichung der UNSCOP-Empfehlungen setzten sich im US-Außenministerium die Unterstützer einer Teilung Palästinas durch.

UN-Resolution 181 (II)

Die zweite Vollversammlung der Vereinten Nationen sprach sich am 29. November 1947 mit 33 Ja-Stimmen bei 13 Gegenstimmen und zehn Enthaltungen für die Resolution 181 (II) und damit für den UNSCOP-Mehrheitsplan aus. Zu den Befürwortern gehörten die USA und die UdSSR, deren geostrategische Interessen mit einer Schwächung britischer Positionen in der Nahostregion einhergingen. Großbritannien enthielt sich der Stimme. Der Beschluss forderte, dass das britische Mandat zum nächstmöglichen Zeitpunkt beendet und Palästina geteilt werden solle.

In dem rund 25.000 Quadratkilometer umfassenden Mandatsgebiet mit einer Bevölkerung von 1,3 Millionen Arabern und 608.000 Juden sollten ein arabisch-palästinensischer Staat (auf 43 Prozent des Territoriums) und ein jüdischer Staat (56 Prozent) entstehen. Jerusalem (ein Prozent) – von zentraler Bedeutung für Juden, Christen und Muslime – sollte eine international verwaltete Enklave (Corpus Separatum) werden. Als Klammer war für das angedachte dreigeteilte Palästina die Schaffung einer Wirtschaftsunion vorgesehen. Diese sollte insbesondere eine Zoll- und Währungsunion, ein übergreifendes Kommunikationssystem, das „im gemeinsamen Interesse und auf der Grundlage der Nichtdiskriminierung“ arbeiten sollte, sowie den „Zugang beider Staaten und der Stadt Jerusalem zu Wasser und Energiequellen auf der Grundlage der Nichtdiskriminierung“ beinhalten.[4]

Die geplante Grenzziehung barg von vornherein immensen Konfliktstoff in sich. Dennoch wurde der UN-Beschluss von der jüdischen Bevölkerung Palästinas mit Jubel begrüßt. Die Jewish Agency traf umgehend Vorbereitungen für die Ausrufung eines jüdischen Nationalstaats. Die Arabische Liga dagegen lehnte den Teilungsplan kategorisch ab. In mehreren arabischen Hauptstädten fanden Protestdemonstrationen statt. Noch im November 1947 brachen in Palästina erbitterte Gefechte zwischen jüdischen und arabischen bewaffneten Gruppen aus. Die Auseinandersetzungen eskalierten im April 1948. Sie mündeten nach Abzug der britischen Truppen und Gründung des Staates Israel am 14. Mai 1948 mit dem Einmarsch von Militärverbänden mehrerer arabischer Staaten in Palästina in den ersten Nahostkrieg.

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UN-Teilungsplan für das britische Mandat Palästina aus dem Jahre 1947. Abbildung: U.S. Central Intelligence Agency (wiki commons).

Auswirkungen des ersten Nahostkriegs

Eine Folge des Krieges war die erste Teilung Palästinas, freilich in anderen Grenzen, als es die UN-Resolution vom 29. November 1947 vorgesehen hatte.
Die direkten Kampfhandlungen endeten im März 1949 mit dem militärischen Sieg Israels. Unter Vermittlung der Vereinten Nationen wurden Waffenstillstandslinien vereinbart. Sie bildeten bis zum Junikrieg 1967 die international anerkannten Grenzen Israels, die so genannte „Grüne Linie“. Die Chancen für die Ausrufung eines arabisch-palästinensischen Staates dagegen waren durch die Besetzung der Hälfte der dafür seitens der UN vorgesehenen Territorien durch Israel, die Eingliederung des Westjordanlands und Ostjerusalems in das 1950 von König Abdallah ausgerufene Haschemitische Königreich Jordanien sowie die Übertragung ägyptischer Verwaltung auf den Gazastreifen für einen langen Zeitraum hinfällig geworden.

Eine schwere Friedenshypothek bildete das palästinensische Flüchtlingsproblem. Die Flucht bzw. Vertreibung von etwa 700.000 Palästinenserinnen und Palästinensern aus ihren Heimatorten im ehemaligen britischen Mandatsgebiet bleibt als Nakba (Katastrophe) tief im kollektiven Gedächtnis des palästinensischen Volkes verankert. Insbesondere diese Zementierung des Konflikts ließ die Teilungsresolution 181 weniger als verpasste Chance denn als Option mit kurz-, mittel- und langfristigem Konfliktpotenzial erscheinen. Völkerrechtlich abgesicherte Kompromissvarianten waren von den Realitäten überholt worden.

Zankapfel Jerusalem

Dem UN-Beschluss von 1947 folgten zahlreiche Resolutionen der Vereinten Nationen, die die zumindest teilweise Umsetzung des Grunddokuments forderten. Besondere Bedeutung erlangte der Status von Jerusalem. So bestätigte die Vierte UN-Vollversammlung mit Resolution 303 (IV) am 9. Dezember 1949 die zwei Jahre zuvor vorgeschlagenen Regelungen hinsichtlich des künftigen Status der Stadt. Der Beschluss wurde mit 38 gegen 14 Stimmen bei sieben Enthaltungen angenommen. Sowohl Israel als auch Jordanien hatten sich vehement gegen die Festlegungen ausgesprochen, wonach die Stadt als Sonderzone einem internationalen Regime unterworfen und von den Vereinten Nationen verwaltet werden sollte. Ein entsprechender Treuhänderausschuss (Trusteeship Council) der UN hatte bereits 1947 seine Tätigkeit aufgenommen. Er wurde nunmehr beauftragt, ein Statut für Jerusalem zu erarbeiten. Ferner wurden entsprechend der Resolution 181 (II) die maximalen Stadtgrenzen definiert.

Der Vorschlag, die Stadt in ein Corpus Separatum umzuwandeln, konnte zu keinem Zeitpunkt umgesetzt werden. Vielmehr blieb die während des ersten Nahostkriegs erfolgte Teilung Jerusalems in einen israelischen Westteil und einen jordanischen Ostteil bis zum Junikrieg 1967 aufrechterhalten. Der Besetzung Ostjerusalems durch die israelische Armee folgten eine Neufestlegung der Stadtgrenzen sowie umfangreiche Maßnahmen, die auf die politische, verwaltungsmäßige und wirtschaftliche Vereinigung der beiden Teile der Stadt unter israelischer Herrschaft abzielten. Am 30. Juni 1980 verabschiedete die Knesset ein Grundgesetz, mit dem „das vereinte Jerusalem in seiner Gesamtheit“ zur Hauptstadt Israels erklärt wurde.[5]

Resumee

Obwohl nur teilweise verwirklicht, gilt die UN-Resolution 181 (II) von 1947 bis heute als völkerrechtliche Legitimation sowohl des Staates Israel als auch des palästinensischen Rechtsanspruchs auf einen eigenen Staat. Einzelne Passagen des historischen Beschlusses verdienen es somit, immer wieder ins Gedächtnis der internationalen Gemeinschaft zurückgerufen zu werden. Dazu gehört die Verpflichtung der beteiligten Seiten zur „Gewährleistung gleicher Rechte, ohne Diskriminierung, in bürgerlichen, politischen, wirtschaftlichen und religiösen Angelegenheiten sowie des Genusses der Menschenrechte und Grundfreiheiten, einschließlich der Religionsfreiheit, der Freiheit der Sprache, der Rede- und Pressefreiheit, der Freiheit des Unterrichts, der Versammlungs- und der Vereinigungsfreiheit, für alle Personen“.[6]

Die Beschlüsse der Vereinten Nationen zum israelisch-palästinensischen Konflikt spiegelten nicht nur die nationalen Gegensätze im Land wider, sondern über Jahrzehnte auch die internationalen Konstellationen und Interessenlagen während des Kalten Krieges. Es verwundert daher nicht, dass sich erst nach dessen Ende kurzzeitig das Fenster für eine Zwei-Staaten-Regelung öffnete. Diese Chance freilich wurde von keiner Seite friedensorientiert genutzt. Heute gilt selbst Optimisten eine kompromissorientierte Konfliktregelung, wie sie prinzipiell im Beschluss von 1947 enthalten ist, als kaum noch umsetzbar. Vor diesem Hintergrund ist nachvollziehbar, dass das Thema in den israelischen Wahlkämpfen der vergangenen Jahre so gut wie keine Rolle mehr spielte.

Anmerkungen

Eine kürzere Fassung des Beitrags wurde in WeltTrends, Heft 193, S. 48-52, veröffentlicht

[1] Zit. nach Brod, Peter: Die Antizionismus- und Israelpolitik der UdSSR, Voraussetzungen und Entwicklung bis 1956, Baden-Baden (Nomos) 1980, S. 58.

[2] The Director of the Office of Near Eastern and African Affairs (Henderson) to the Secretary of State, September 22, 1947, Document 796, in: Reid, John G./Fine, Herbert A. (1971): Foreign Relations of the United States, 1947, The Near East and Africa, Volume V, Washington D.C., United States Government Printing Office, S. 1153f.

[3] Memorandum Prepared in the Department of State, June 4, 1947, Document 765, in: Reid/Fine, a.a.O., S. 1097.

[4] Resolution der Generalversammlung, verabschiedet am 29. November 1947, veröffentlicht in Timm, Angelika (Hrsg.): 100 Dokumente aus 100 Jahren. Teilungspläne, Regelungsoptionen und Friedensinitiativen im israelisch-palästinensischen Konflikt (1917 – 2017), Berlin (AphorismA) 2017, S. 109-136; hier S. 120.

[5] Vgl. Timm, a.a.O., S. 268f.

[6] Timm, a.a.O., S. 114.